Poincaré besucht Russland im Juli 1914

Du gibst dir nun alle Mühe, diese Quellen unglaubwürdig zu machen.
Ich hatte mich eigentlich aus der Sache heraus halten wollen, weil ich in der Thematik des Russlandbesuchs Poincarés nicht so sehr drinn bin und wegen Sprachhbarriere da auch Probleme hätte mich in die Originalquellen hinein zu arbeiten.

Ohne mich zu den anderen Dingen äußern zu wollen: Inhaltlich kann ich @andreassolar s Kritik hinsichtlich der Einordnung besagter russischer Militärzeitschrift allerdings durchaus nachvollziehen.
Zweifel daran, ob Quellen richtig verstanden und eingeordnet wurden, müssen schon grundsätzlich erlaubt sein und auch der Umgang von Historikern wie Clark damit ist grundsätzlich kritisierbar.
Du weißt, dass ich von Clark im Allgemeinen einre recht hohe Meinung habe und sein Werk sehr schätze also weit davon entfernt bin ihn in irgendeiner Form schlecht machen zu wollen.
Alledings kommt es hin und wieder auch bei renomierten Historikern vor, dass sie Quellenangaben aus der Sekundärliteratur übernehmen und die Originalquellen, sofern es sich lediglich um Randbereiche ihres eigenen Themas handelt, nicht unbedingt um ihre Kernthemen, nicht nochmal sichten.

Auch professionelle Historiker, im Besonderen, wenn sie versuchen eine multinationale Perspektive einzunehmen, stehen natürlich vor Problemen wie Sprachbarrieren und sind da entweder auf Zusammenarbeit mit anderen Historikern, die die Sprachen beherrschen oder auf Einschätzungen aus der Sekundärliteratur angewiesen.
Clark ist nun kein Russland-Historiker und als besonderer Fachmann für Militärdebatten, dem man zutrauen müsste die einschlägigen Zeitschriften zu kennen, ist er mir auch nicht aufgefallen.

Wenn er sich tatsächlich hinsichtlich der Zeitschrift ausschließlich auf Kuhl bezieht ist es durchaus möglich, dass er das inklusive Einordnung einfach dort übernommen und mangels hinreichender russischer Sprachkenntnisse das Original nicht konsultiert hat.

Dann aber hätte man es eigentlich nicht mit einer Einordnung Clarks, sondern derjenigen Kuhls zu tun und der wird man durchaus eine bestimmte Agenda zuschreiben können und in diesem Zusammenhang dann Vorsicht walten lassen müssen.

Er versäumte es nicht den Russen zum wiederholten Male einen Blankoscheck auszustellen.
Es wäre allerdings, und das fehlt mir bei deiner Betrachtung der französischen Aktionen etwa, zu hinterfragen, inwieweit die französische Regierung denn auch bereits die eigene Bereitschaft bekundet hatte, einen solchen Blankoschek auch zu decken.

In Deutschland lag ein weiter Teil der Entscheidungsgewalt über Krieg und Frieden beim Kaiser, der das durchaus an sich reißen konnte, aber die Rolle des frannzösischen Staatspräsidenten war dem nicht vergleichbar.
Poincaré konnte eine Regierung, die nicht bereit war das mitzutragen, nicht einfach entlassen und Schritte gegen das Votum des Regierungschefs und der Fachminister für Militär Außen und Finanzen durchzuziehen, würde nicht funktioniert haben.

Poincarés handeln in der Juli-Krise hinsichtlich Bestärkung der russischen Haltung in Richtung Unachgiebigkeit ist sicher grunsätzlich problematisch gewesen, insofern bin ich durchaus bei dir.
Aber ich bin auch nach wie vor der Meinung, dass du den Entscheidungsprozess in Frannkreich zu sehr an Poincaré festmachst.
Wenn du dich zum Thema der franzöischen Außenpolitik in der Julikrise äußerst, kommen regelmäßig die Namen Poincaré, Paléologue und Cambon, während allerdings die Regierung in deiner Darstellung der französischen Außenpolitik in der Julikrise regelmäßig keine Rolle spielt, so als handle es sich dabei um eine zu vernachlässigende Größe.

Nun wird man dir insofern entgegenkommen können, zu behaupten, dass die in dieser Zeit sehr schnell wechselnden Regierungsbündnisse in Frankreich dem Präsidenten und dem diplomatischen Korps relatv große Spielräume eingeräumt haben werden auf die französische Außenpolitik Einfluss zu nehmen, weil sie einfach relativ konstant vorhandene Ansprechpartner waren, während die Regierung in 1-2 Moanten passé oder entscheidend umgebildet sein konnte.
Sie aber bei so gravierenden Schritten, wie außenpolitischen Aktionen, die in einen Krieg führen könnten, mehr oder weniger zu übergehen, obwohl Kriegs- und Marineministerium bei so etwas notwendigerweise mitziehen mussten, erscheint mir nicht richtig.


Insofern müssten meines Erachtens, wenn Poincarés Auftritt in Russland bewertet werden soll zwei weitere Fragen grundsätzlich beantwortet werden:

1. Inwieweit war das was Poincaré in St. Petersburg tat mit der Regierung in Paris abgesprochen und wie reagierte diese intern auf Poincarés Schritte.
2. Und dass wäre für das Verständnis für die Mechanik der Juli-Krise durchaus nicht unbedeutsam, wie wurden Poincarés Einlassungen bei den Russen intern diskutiert und welche Kredibilität hatten die, im Besonderen auch im Bezug darauf, ob man Poincaré auch glaubte für seinen Kurs die Unterstützung der französischen Regierung zu haben.

Denn wenn man dir einen relativ starken Einfluss Poincarés auf die Außenpolitik, mit dem Argument der schnell wechselnden Kabinette in Frankreich beigibt, wird man auf der anderen Seite aber auch sehen müssen, dass eben diese Kurzlebigkeit der französischen Regierungen durchaus ein veritabler Grund gewesen wäre daran zu zweifeln, dass Poincaré effektiv in der Lage war französischen Beistand zu garantieren.

Immerhin saßen in Frankreich die Sozialisten in der Regierung, die unbedingt besonders bellizistisch waren und bei der relativ geringen Stabilität der franzsösichen Regierungen musste dann natürlich auch damit gerechnet werden, dass eine Krise solchen Ausmaßes leicht zum Sturz der Regierung führen konnte, im Besonderen sollten die eher stark am Frieden interessierten Sozialisten in der Regierung aus Poincarés Kurs ausscheren.
Dadurch musste für die russische Seite die Gefahr bestehen, das die politische Situation in Frankreich im für Russland kritischen Moment zur Handlungsunfähigkeit des französischen Partners führen konnte.


Deswegen würde ich eigentlich zu dem Schluss kommen, dass möglicherweise nicht so entscheidend war, was Poincaré in St. Petersburg so äußerte, sondern dass möglicherweise viel interessanter war, was die russische Botschaft über die Haltung der französischen Regierung und der französischen Sozialisten zu berichten hatte.
Das Poincaré und die eher konservativen in Frankreich bereit waren einen tedennziell harten Kurs gegenüber Deutschland zu fahren, dass überrascht eigentlich nicht.
Entscheidend für die russsischen Handlungsoptionen war aber viel mehr die Information, ob die Sozialisten in Frankreich das mitmachten oder ob damit zu rechnen war, dass die dagegen auf die Barrikaden gehen und einen Generalstreik anzetteln würden um Schritte zur Mobilmachung zu verhindern oder ähnliches.

Deswegen würde ich Poincarés Zusagen und Empfehlungen an Russland, was ihre Konsequenzen für die russsische Kriegsbereitschaft angeht nicht zu hoch hängen und schon gar nicht würde ich die Haltung der Pariser Regierung dazu und ihre Auswirkungen darauf komplett vernachlässigen.
 
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Ohne mich zu den anderen Dingen äußern zu wollen: Inhaltlich kann ich @andreassolar s Kritik hinsichtlich der Einordnung besagter russischer Militärzeitschrift allerdings durchaus nachvollziehen.
Zweifel daran, ob Quellen richtig verstanden und eingeordnet wurden, müssen schon grundsätzlich erlaubt sein und auch der Umgang von Historikern wie Clark damit ist grundsätzlich kritisierbar.
Du weißt, dass ich von Clark im Allgemeinen einre recht hohe Meinung habe und sein Werk sehr schätze also weit davon entfernt bin ihn in irgendeiner Form schlecht machen zu wollen.
Alledings kommt es hin und wieder auch bei renomierten Historikern vor, dass sie Quellenangaben aus der Sekundärliteratur übernehmen und die Originalquellen, sofern es sich lediglich um Randbereiche ihres eigenen Themas handelt, nicht unbedingt um ihre Kernthemen, nicht nochmal sichten.

Auch professionelle Historiker, im Besonderen, wenn sie versuchen eine multinationale Perspektive einzunehmen, stehen natürlich vor Problemen wie Sprachbarrieren und sind da entweder auf Zusammenarbeit mit anderen Historikern, die die Sprachen beherrschen oder auf Einschätzungen aus der Sekundärliteratur angewiesen.
Clark ist nun kein Russland-Historiker und als besonderer Fachmann für Militärdebatten, dem man zutrauen müsste die einschlägigen Zeitschriften zu kennen, ist er mir auch nicht aufgefallen.

Wenn er sich tatsächlich hinsichtlich der Zeitschrift ausschließlich auf Kuhl bezieht ist es durchaus möglich, dass er das inklusive Einordnung einfach dort übernommen und mangels hinreichender russischer Sprachkenntnisse das Original nicht konsultiert hat.

Dann aber hätte man es eigentlich nicht mit einer Einordnung Clarks, sondern derjenigen Kuhls zu tun und der wird man durchaus eine bestimmte Agenda zuschreiben können und in diesem Zusammenhang dann Vorsicht walten lassen müssen.

Und nun äußerst du dich doch.

Ich bin wie du kein gelernter Historiker; wie die meisten hier. Du selbst arbeitet ganz überwiegend ohne Quellen; zumindest in unseren zahlreichen Diskussionen. und es stört mich nicht, da ich weiß, das du kein Blödsinn erzählst.
Ich bemühe mich, gerade bei solchen Ausführungen wie der russischen Militärzeitschrift dafür auch eine Quelle zu benennen. Dies habe ich mit Kuhl und später Clark geleistet. Ich bin schon der Auffassung, das ich damit den hohen Ansprüchen des Forums Genüge getan habe. Viele geben keine Quellen an und werden dafür auch nicht kritisiert. Ist meines Erachtens auch in Ordnung. Gelten für mich jetzt andere Maßstäbe?
Muss ich mich jetzt auch noch rechtfertigen, das Clark, was ich nicht wirklich glaube, vergriffen haben sollte. Clark ist ein internationaler anerkannter Historiker.
 
. Inwieweit war das was Poincaré in St. Petersburg tat mit der Regierung in Paris abgesprochen und wie reagierte diese intern auf Poincarés Schritte.

Am 25.07. wurde die sogenannte Kriegsvorbereitungsperiode unter dem persönlichen Vorsitz des Zaren beschlossen. Das bar Gefahren in sich, da diese sich auf den europäischen Teil Russlands bezog. Das bedeutete auch auf die Militärbezirke, die östlich vom Deutschen Reich lagen.

Am 26.07.1914 wurde Frankreich umfassend informiert. Der Quai d Orsay hielt sich aber nicht für nötig, irgendetwas zu unternehmen.

Leider stehen der Forschung nicht alle Quellen zur Verfügung, das Poincaré seine Erinnerungen frisiert hat.

Innenminister Maly hatte Caillaux darüber informiert, das der Ministerrat die russische Teilmobilmachung ausdrücklich gebilligt hat.

Es könnten schon sehr wohl strategische Überlegungen Frankreich gewesen sein, nicht au den Verbündeten mäßigend einzuwirken, denn man befürchtete dort, dass jede überlegene Vorbereitung in Österreich-Ungarn Deutschland dazu bringen könnte, einen Teil der an seiner Ostgrenze stationierten Armeekorps an unsere Grenze zu verlegen.

Zum Schluss gilt: Poincaré war die ganz starke und entscheidende Person in der französischen Administration.
 
2. Und dass wäre für das Verständnis für die Mechanik der Juli-Krise durchaus nicht unbedeutsam, wie wurden Poincarés Einlassungen bei den Russen intern diskutiert und welche Kredibilität hatten die, im Besonderen auch im Bezug darauf, ob man Poincaré auch glaubte für seinen Kurs die Unterstützung der französischen Regierung zu haben.

Durch Paléologue seine gebetsmühlartigen Versicherungen der unbedingten französischen Unterstützung, durch die Wiederholung durch Poincarè während seines Besuchs in Petersburg, gehe ich wohl nicht falsch in der Annahme, das die Russen sich der Franzosen sicher waren. Ansonsten hätten sie nicht die Mobilmachung in die Wege geleitet. Die unsichere Variable war Großbritannien.
 
Du selbst arbeitet ganz überwiegend ohne Quellen; zumindest in unseren zahlreichen Diskussionen. und es stört mich nicht, da ich weiß, das du kein Blödsinn erzählst.
Ich arbeite in unseren Diskussionen sehr oft mit Kontexten.

Das liegt vor allem daran, dass ich als Student (in absehbarer Zeit hoffentlich nicht mehr) mit einem sehr begrenzten Budget und einer 20 m² Bude schlicht nicht in der Lage bin mir wirklich umfassende Literaturbestände dazu ins Regal zu stellen und sie damit ad hoc greifbar zu haben.
Dafür fehlen mir sowohl finanzielle Mittel als auch Platz.

Wenn ich mich in Diskussionen vor allem darauf verlege mit Kontexten zu arbeiten, die sich auch aus der Sekundärliteratur ergeben, auf die ich einen besseren Zugriff habe, hat das auch vor allem damit etwas zu tun, dass die Diskussionen hier im Forum oft so schnellebig sind und dass ich oftmals vollkommen raus wäre, wenn ich das genau in den Quellen nachschlagen und zitieren müsste, weil ich da erstmal ein paar Tage bräuchte (abhängig auch von Öffnungszeiten der Bibliotheken und ob ggf. die Fernleihe in Anspruch genommen werden müsste) und es in der Zwischenzeit dann passieren kann, dass die Diskussion bereits mehrere Seiten weiter ist und sich andere Teilnehmer dann davon genervt zeigen, wenn man Beiträge von vor mehreren Seiten wieder hervorkramt und versucht die Diskkussion wieder dahin zurück zu drehen.

Es ist bedauerlich, dass ich oftmals ad hoc keine präzisen Quellenzitate beisteuern kann und ich würde mir das selbst etwas anders wünschen, dazu habe ich im Augenblick aber einfach nicht die Mittel an der Hand oder aber die Diskussionen müssten wesentlich langsamer laufen, nur kann ich natürlich nicht vom gesamten Forum verlangen darauf Rücksicht zu nehmen.

Das einfach nur zur Begründung meiner Arbeitsweise hier.



Ich bemühe mich, gerade bei solchen Ausführungen wie der russischen Militärzeitschrift dafür auch eine Quelle zu benennen. Dies habe ich mit Kuhl und später Clark geleistet. Ich bin schon der Auffassung, das ich damit den hohen Ansprüchen des Forums Genüge getan habe. Viele geben keine Quellen an und werden dafür auch nicht kritisiert. Ist meines Erachtens auch in Ordnung. Gelten für mich jetzt andere Maßstäbe?
Muss ich mich jetzt auch noch rechtfertigen, das Clark, was ich nicht wirklich glaube, vergriffen haben sollte. Clark ist ein internationaler anerkannter Historiker.
Wer hat von dir Rechtfertigung verlangt?

Ich habe lediglich geäußert, dass ich @andreassolar s Einwand zu diesem Thema (und ich schriebt explizit, dass ich mich nur auf diesen Einwand bezog, nicht auf die Zwischentöne) nachvollziehen kann.

Ich habe durchaus Verständnis dafür, wenn man nicht jeden angegebenen Quellen- und Literaturverweis präzise prüft, dass tut keiner von uns. Da würde es ja mitunter Wochen und Monate dauern ein Buch zu lesen, dass verlangt auch sicher niemand von jemandem, der sich damit einfach hobbymäßig beschäftigt.
Ich denke aber wenn jemandem im Forum eine bestimmte Stelle in der Literatur seltsam erscheint und er sich die Mühe macht das zu überprüfen und dass Ergebnis im Forum mitteilt, sollte man dem schon ein gewisses Maß an Beachtung schenken und nicht versuchen das mit Totschlagargumenten aus der Diskussion zu nehmen, in dem man sich auf die Autorität eines Historikers beruft oder sich auf den Standpunkt stellt, nähere Quellenkritik nicht weiter in der Diskussion haben zu wollen.

Damit meine ich explizit #177 und diese Einlassung hier:

Wenn jetzt energisch versucht wird Quellen zu zerlegen, auch wenn diese von renommierten und sehr bekannten Historikern kommen, dann stimmt mich das nachdenklich. Vielleicht hat jemand einfach Langeweile? Vielleicht gefallen jemanden die getätigten Aussagen auch einfach nicht?

Das ist meines Erachtens der falsche Umgang und hilft der Sache nicht unbedingt.
 
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