Ich hatte mich eigentlich aus der Sache heraus halten wollen, weil ich in der Thematik des Russlandbesuchs Poincarés nicht so sehr drinn bin und wegen Sprachhbarriere da auch Probleme hätte mich in die Originalquellen hinein zu arbeiten.Du gibst dir nun alle Mühe, diese Quellen unglaubwürdig zu machen.
Ohne mich zu den anderen Dingen äußern zu wollen: Inhaltlich kann ich @andreassolar s Kritik hinsichtlich der Einordnung besagter russischer Militärzeitschrift allerdings durchaus nachvollziehen.
Zweifel daran, ob Quellen richtig verstanden und eingeordnet wurden, müssen schon grundsätzlich erlaubt sein und auch der Umgang von Historikern wie Clark damit ist grundsätzlich kritisierbar.
Du weißt, dass ich von Clark im Allgemeinen einre recht hohe Meinung habe und sein Werk sehr schätze also weit davon entfernt bin ihn in irgendeiner Form schlecht machen zu wollen.
Alledings kommt es hin und wieder auch bei renomierten Historikern vor, dass sie Quellenangaben aus der Sekundärliteratur übernehmen und die Originalquellen, sofern es sich lediglich um Randbereiche ihres eigenen Themas handelt, nicht unbedingt um ihre Kernthemen, nicht nochmal sichten.
Auch professionelle Historiker, im Besonderen, wenn sie versuchen eine multinationale Perspektive einzunehmen, stehen natürlich vor Problemen wie Sprachbarrieren und sind da entweder auf Zusammenarbeit mit anderen Historikern, die die Sprachen beherrschen oder auf Einschätzungen aus der Sekundärliteratur angewiesen.
Clark ist nun kein Russland-Historiker und als besonderer Fachmann für Militärdebatten, dem man zutrauen müsste die einschlägigen Zeitschriften zu kennen, ist er mir auch nicht aufgefallen.
Wenn er sich tatsächlich hinsichtlich der Zeitschrift ausschließlich auf Kuhl bezieht ist es durchaus möglich, dass er das inklusive Einordnung einfach dort übernommen und mangels hinreichender russischer Sprachkenntnisse das Original nicht konsultiert hat.
Dann aber hätte man es eigentlich nicht mit einer Einordnung Clarks, sondern derjenigen Kuhls zu tun und der wird man durchaus eine bestimmte Agenda zuschreiben können und in diesem Zusammenhang dann Vorsicht walten lassen müssen.
Es wäre allerdings, und das fehlt mir bei deiner Betrachtung der französischen Aktionen etwa, zu hinterfragen, inwieweit die französische Regierung denn auch bereits die eigene Bereitschaft bekundet hatte, einen solchen Blankoschek auch zu decken.Er versäumte es nicht den Russen zum wiederholten Male einen Blankoscheck auszustellen.
In Deutschland lag ein weiter Teil der Entscheidungsgewalt über Krieg und Frieden beim Kaiser, der das durchaus an sich reißen konnte, aber die Rolle des frannzösischen Staatspräsidenten war dem nicht vergleichbar.
Poincaré konnte eine Regierung, die nicht bereit war das mitzutragen, nicht einfach entlassen und Schritte gegen das Votum des Regierungschefs und der Fachminister für Militär Außen und Finanzen durchzuziehen, würde nicht funktioniert haben.
Poincarés handeln in der Juli-Krise hinsichtlich Bestärkung der russischen Haltung in Richtung Unachgiebigkeit ist sicher grunsätzlich problematisch gewesen, insofern bin ich durchaus bei dir.
Aber ich bin auch nach wie vor der Meinung, dass du den Entscheidungsprozess in Frannkreich zu sehr an Poincaré festmachst.
Wenn du dich zum Thema der franzöischen Außenpolitik in der Julikrise äußerst, kommen regelmäßig die Namen Poincaré, Paléologue und Cambon, während allerdings die Regierung in deiner Darstellung der französischen Außenpolitik in der Julikrise regelmäßig keine Rolle spielt, so als handle es sich dabei um eine zu vernachlässigende Größe.
Nun wird man dir insofern entgegenkommen können, zu behaupten, dass die in dieser Zeit sehr schnell wechselnden Regierungsbündnisse in Frankreich dem Präsidenten und dem diplomatischen Korps relatv große Spielräume eingeräumt haben werden auf die französische Außenpolitik Einfluss zu nehmen, weil sie einfach relativ konstant vorhandene Ansprechpartner waren, während die Regierung in 1-2 Moanten passé oder entscheidend umgebildet sein konnte.
Sie aber bei so gravierenden Schritten, wie außenpolitischen Aktionen, die in einen Krieg führen könnten, mehr oder weniger zu übergehen, obwohl Kriegs- und Marineministerium bei so etwas notwendigerweise mitziehen mussten, erscheint mir nicht richtig.
Insofern müssten meines Erachtens, wenn Poincarés Auftritt in Russland bewertet werden soll zwei weitere Fragen grundsätzlich beantwortet werden:
1. Inwieweit war das was Poincaré in St. Petersburg tat mit der Regierung in Paris abgesprochen und wie reagierte diese intern auf Poincarés Schritte.
2. Und dass wäre für das Verständnis für die Mechanik der Juli-Krise durchaus nicht unbedeutsam, wie wurden Poincarés Einlassungen bei den Russen intern diskutiert und welche Kredibilität hatten die, im Besonderen auch im Bezug darauf, ob man Poincaré auch glaubte für seinen Kurs die Unterstützung der französischen Regierung zu haben.
Denn wenn man dir einen relativ starken Einfluss Poincarés auf die Außenpolitik, mit dem Argument der schnell wechselnden Kabinette in Frankreich beigibt, wird man auf der anderen Seite aber auch sehen müssen, dass eben diese Kurzlebigkeit der französischen Regierungen durchaus ein veritabler Grund gewesen wäre daran zu zweifeln, dass Poincaré effektiv in der Lage war französischen Beistand zu garantieren.
Immerhin saßen in Frankreich die Sozialisten in der Regierung, die unbedingt besonders bellizistisch waren und bei der relativ geringen Stabilität der franzsösichen Regierungen musste dann natürlich auch damit gerechnet werden, dass eine Krise solchen Ausmaßes leicht zum Sturz der Regierung führen konnte, im Besonderen sollten die eher stark am Frieden interessierten Sozialisten in der Regierung aus Poincarés Kurs ausscheren.
Dadurch musste für die russische Seite die Gefahr bestehen, das die politische Situation in Frankreich im für Russland kritischen Moment zur Handlungsunfähigkeit des französischen Partners führen konnte.
Deswegen würde ich eigentlich zu dem Schluss kommen, dass möglicherweise nicht so entscheidend war, was Poincaré in St. Petersburg so äußerte, sondern dass möglicherweise viel interessanter war, was die russische Botschaft über die Haltung der französischen Regierung und der französischen Sozialisten zu berichten hatte.
Das Poincaré und die eher konservativen in Frankreich bereit waren einen tedennziell harten Kurs gegenüber Deutschland zu fahren, dass überrascht eigentlich nicht.
Entscheidend für die russsischen Handlungsoptionen war aber viel mehr die Information, ob die Sozialisten in Frankreich das mitmachten oder ob damit zu rechnen war, dass die dagegen auf die Barrikaden gehen und einen Generalstreik anzetteln würden um Schritte zur Mobilmachung zu verhindern oder ähnliches.
Deswegen würde ich Poincarés Zusagen und Empfehlungen an Russland, was ihre Konsequenzen für die russsische Kriegsbereitschaft angeht nicht zu hoch hängen und schon gar nicht würde ich die Haltung der Pariser Regierung dazu und ihre Auswirkungen darauf komplett vernachlässigen.
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