...und Varus wird immer weiter geschlachtet

warum sollte sich ein römischer Historiker nicht spät berufen, der alten Thematik widmen dürfen ?
Das ist die falsche Frage. Es geht und ging nie ums Dürfen. Es geht darum, was Cassius Dio beiträgt. Er ist unsere ausführlichste Quelle zur Varusschlacht und darin liegt eine psychologische Gefahr. Wir sind Geschichtenwesen, wir haben ein psychologisches Bedürfnis nach Geschichten, das liegt in unserer menschlichen Natur und gehört zu den Dingen, die uns von Tieren unterscheidet. Und das ist genau das, was Cassius Dio leistet. Er erzählt uns eine Geschichte.
Velleius Paterculus? Vertröstet uns auf später.
Tacitus? Berichtet von der Schlacht nur in Rückblenden (Schlachtfeldbegehung + Caecinas Traum + Arminius Rede)
Florus? Lässt uns ratlos zurück.
Sueton? Disparat.
Andere Autoren? Noch dürftiger.

Und dann kommt Cassius Dio, erzählt von Strapazen und leichtfüßigen gazellengleichen Germanen, er ist der erste, der Varus an der Weser verortet (kann ja sein), er ist der erste, der von Sturm, von herabstürzenden Baumkronen berichtet und ist damit derjenige, der das populäre Bild von der Varusschlacht geprägt hat. Aber obwohl wir wissen, dass er die Fakten manchmal ein bisschen biegt, ignorieren wir, dass plötzlich 200 Jahre nach der Schlacht neue Fakten erzählt werden, wir ignorieren, dass aus dem Cherusker Segestes plötzlich mehrere Personen, mutmaßlich römische Offiziere, werden: Die Geschichte behält Cassius Dio bei, aber er anonymisiert sie, so dass eine ganz andere Geschichte daraus wird. Erst vor wenigen Wochen wollte jemand hier im Forum aus der Segestes-Geschichte in der von Cassius Dio überlieferten Form, aus der Segestes herausgestrichen wurde, die Erzählung machen, Varus habe nicht auf die Ratschläge seiner Offiziere gehört. Aber wir haben nun mal mehrere Quellen zu diesem Sachverhalt und können Sie nebeneinander legen und vergleichen und - upps - feststellen, dass der Cherusker Segestes durch auch ethnisch undefinierte Anonymi ersetzt worden ist.

Ich verwerfe Dio gar nicht, da aus meiner Sicht alles passt.
Und dennoch ignorierst du ausdrücklich von ihm geschilderte Sachverhalte und wunderst dich, wenn Ravenik dir Rosinenpickerei vorwirft.

Meine Systematik ist geprägt vom Marschzugkorridor Weser - Brakel - Hampenhausen - Schweckhausen - Peckelsheim Borlinghasen - Saltus (Entstation)
Das war nicht die Frage. Die Frage war, nach welcher Systematik du Angaben von Cassius Dio als Fakten anerkennst und nach welcher du die Angaben ignorierst. Denn nichts anderes tust du, wenn du behauptest, die weniger dicht bewaldeten Gebiete, in die Varus kam, müssten die Borgentreicher Börde gewesen sein, an anderer Stelle aber bescheidest, dass ein Weg der exakt dem entspricht, was Cassius Dio beschreibt, von Varus wohl kaum, genommen worden sei. Also entweder, du nimmst Cassius Dio jedes Wort ab, oder eben nicht. Dann musst du aber auch plausibel und intersubjektiv begründen, warum du die eine Stelle kritiklos übernimmst und die andere über Bord wirfst.

Während der zivile Zug von Brakel - Schmechten - Schwaney nach Anreppen führte.
Zwei Sätze vorher schreibst du, bei Cassius Dio passe „alles“, hier stehst du zu Cassius Dio diametral im Widerspruch.

Bei der schnurgeraden Römerstraße handelt es sich um den ausgebauten Hellweg.
Den Hellweg gab es nicht, vor allem keinen von den Römern ausgebauten. Der Hellweg war ein von den Römern bereis vorgefundenes Bündel paralleler Straßen.
 
Okay, dann lasst uns ihnen alles glauben, egal, ob sie im Widerspruch zur Physik, untereinander oder gar zu sich selbst stehen.
Innere Quellenkritik (es gibt auch eine äußere) ist genau das: Narrative zu untersuchen. Erst wenn ich das gemacht habe, Abhängigkeiten und Widersprüche identifiziert, Darstellungsabsichten entlarvt habe, kann ich weiterarbeiten. Sonst betreibe ich Rosinenpickerei.

Hallo El Quijote,
Das unterscheidet uns. Meine Strategie ist die, dass solange es keine keine Fakten gibt, man so viele Indizien wie möglich sammeln sollte. Irgendwo muss man anfangen. Wenn Du willst, dann sind alle Indizien Rosinen, damit muss ich leben. Ich habe jedenfalls eine Indizienkette geknüpft die man in der Varusforschung bislang vermisst hat. Wenn das wie mir scheint, keine hinreichende Basis für eine Diskussion ist, dann werde ich wieder in der Versenkung verschwinden.
Gruß Ulrich Leyhe
 
Du fragst nach der entscheidenden Münze ?
Ja, und Du bleibst mir die Antwort schuldig.
Daher frage ich noch einmal: Welches sind die entscheidenden Münzen, die angeblich fehlen?

Eine Münze die nach 9 + geprägt wurde wäre dann entscheidend für die Feststellung, dass dort keine Varusschlacht statt fand.
Wie gesagt: Eine Münze besagt gar nichts.
Tacitus berichtet, dass 15 nach Christus die Legionen des Germanicus das Schlachtfeld aufsuchten. Dabei kann natürlich auch der eine oder andere Legionär eine erst nach 9 geprägte Münze verloren haben.
 
Masse sagt nichts aus und Münzen waren lange im Umlauf. Es fehlen dort die entscheidenden Münzen.
Wie datiert man Münzschätze?
Vormoderne Münzschätze setzen sich oft aus Münzen mehrerer Jahrhunderte zusammen, wobei statistische Ausrutscher meist ein sehr hohes Alter haben. So findet man in Münzschätzen der Wikingerzeit hin und wieder mal römische Einzelstücke. Die Schlussmünze ist i.d.R. statistisch häufig in dem Münzschatz bzw. nicht wesentlich jünger als das Gros.
Es kann also passieren, dass das Gros eines Münzschatzes aus dem Jahr 950 stammt und nur eine einzelne Münze als Achlussmünze aus dem Jahr 952. bei einem Münzschatz wo das Gros aus dem Jahre 950 stammte und die Schlussmünze aus dem Jahr 1050 widerspräche aller Wahrscheinlichkeit und würde, so kein Datierungsfehler vorliegt, wohl unter Fakeverdacht fallen.

Je mehr Münzen man hat und je enger die jüngsten Münzen beieinander liegen, desto enger ist am am Verlust- oder Niederlegungszeitraum der Münzen.


Kehren wir zurück zu Kalkriese. Dort war man vor 5 Jahren bei über identifizierten 2.200 Münzen, die einen Prägezeitraum von etwa 200 Jahren abdecken. Schlussmünze sind die Gaius-Lucius-Denare und Aurei (2 n. Chr.) auffallend viele VAR-Gegenstempel (7 - 9 n Chr.) einige TIB-Gegenstempel sind strittig. Hier ist Wertz in seiner ansonsten soliden Arbeit ein möglicher Zirkelschluss anzulasten, da er die TIB-Gegenstempel unter der Prämisse datiert, dass Kalkriese Ort der Varusschlacht ist, was korrekt sein kann, aber eben nicht muss. Vereinzelt auch CVAL (Numonius Vala? Sein Vorname ist nicht überliefert, wird aber hypothetisch als Caius aufgelöst - hier sind wir nicht im Bereich der Theorie, aber gut begründeten Hypothese).
Es fehlen in Kalkriese hingegen die Lugdunum II-Altarserien, welche ab 10 n Chr. geprägt wurden. In dem Zwischraum von 2 bis 10 (manche datieren die Gaius-Lucius-Nominale auch bis 4, was ich aufgrund von Lucius‘ Tod 2 für Unsinn halte, dann wäre unsere Schlussmünze von 4 und der Zeitraum von 4 bis 10) sind uns keine großen Münzserien bekannt, die wir in Kalkriese vermissen müssten, wenn wir dort mit Varus rechnen. Germanicus/Caecina können wir ausschließen, da diese jüngere Münzen gehabt haben müssten. Im Kölner Brandhorizont vom Winter 14/15 ist ein Achtel der Münzen 56 Münzen (7/56) (oder war es ein Siebtel, 8/56?) bereits postvarianisch.
Zeitlich würde noch Tiberius für Kalkriese in Frage kommen, aber von dem ist überliefert, dass er persönlich darauf achtete, dass kein unnötiges Gepäck auf den Feldzug genommen würde, das passt nicht zu den Kalkrieser Funden. Sowohl von den gesicherten Artefakten her nicht, als auch von den Knochengruben nicht.

Hallo El Quijote,
Das unterscheidet uns. Meine Strategie ist die, dass solange es keine keine Fakten gibt, man so viele Indizien wie möglich sammeln sollte. Irgendwo muss man anfangen. Wenn Du willst, dann sind alle Indizien Rosinen, damit muss ich leben. Ich habe jedenfalls eine Indizienkette geknüpft die man in der Varusforschung bislang vermisst hat. Wenn das wie mir scheint, keine hinreichende Basis für eine Diskussion ist, dann werde ich wieder in der Versenkung verschwinden.
Gruß Ulrich Leyhe
Du verdrehst meine Worte. Der Vorwurf der Rosinenpickerei bezog sich ausdrücklich darauf, dass du eine Angabe von Cassius Dio kritiklos übernimmst und bei der nächsten das Gegenteil von dem, was er schreibt, behauptest, obwohl doch bei ihm deinen Angaben zufolge „alles passt“. Das sind außerdem Widersprüche, in die du dich verstrickst. Vor allem aber ist keine Systematik erkennbar, keine Methode (außer völliger Willkür), nach welcher du eine Aussage für bare Münze nimmst und die andere verwirfst.

[mod: 2 Beiträge, 00:35, 00:39, zusammengeführt]
 
Zuletzt bearbeitet:
Vormoderne Münzschätze setzen sich oft aus Münzen mehrerer Jahrhunderte zusammen, wobei statistische Ausrutscher meist ein sehr hohes Alter haben.
Zwar erkläre ich in dem Beitrag später, wie ich das meine, aber der Satz ist missverständlich formuliert. Also in einem Münzschatz ist logischerweise die jüngste Münze die Schlussmünze, nach der der Schatz tpq-datiert wird (terminus post quem, der Zeitraum, nach dem). Ist die Schlussmünze ein statistischer Ausreißer, ist etwas falsch. Die Erfahrungen besagen, dass Münzschätze sich zum größten Teil aus Münzen zusammensetzen, die nahe am Alter der Schlussmünze liegen, statistische Ausreißer gibt es somit nur in eine Richtung, ohne dass es verdächtig wird, nämlich ältere Münzen. Jüngere Münzen als statistische Ausreißer sind verdächtig.

Die Schlussmünze ist i.d.R. statistisch häufig in dem Münzschatz bzw. nicht wesentlich jünger als das Gros.
Es kann also passieren, dass das Gros eines Münzschatzes aus dem Jahr 950 stammt und nur eine einzelne Münze als Achlussmünze aus dem Jahr 952. bei einem Münzschatz wo das Gros aus dem Jahre 950 stammte und die Schlussmünze aus dem Jahr 1050 widerspräche aller Wahrscheinlichkeit und würde, so kein Datierungsfehler vorliegt, wohl unter Fakeverdacht fallen.

Nun ist Geschichte oft nicht so einfach, wie von mir hier dargestellt. So kann es passieren, dass Mönch Aethelstan, der Quästor des Klosters Lindisfarne, als er das erste Wikingerschiff am Strand anlanden sieht, die Barschaften des Klosters schnell vergräbt. Dummerweise wird er eine Stunde später erschlagen und keiner der Überlebenden weiß, was mit den Barschaften passiert ist. 50 Jahre später findet Mönch Wilfred bei der Anlage eines neuen Gemüsegartens den Topf und übergibt ihn dem Quästor, Aethelstans dritten Nachfolger Adalmar. Der schmeißt die Barschaften, die Wilfred gefunden hat, in den Topf mit den momentanen Barschaften des Klosters und freut sich. Aber nicht lange, denn wenige Tage später kommt ein Novize aufgeregt angerannt und ruft, „die Dänen kommen!“
Adalmar geht also hin und vergräbt in der Hoffnung, ihn in wenigen Tagen wieder zu bergen, seinen so schön vergrößerten Münzschatz. Aber ihn ereilt dasselbe Schicksal, wie seinen Amtsvorgänger vor 50 Jahren und niemand von den Überlebenden weiß von dem Versteck des Geldes.

Einige Jahrhunderte später stößt die hübsche Archäologiestudentin und Grabungshelferin Lucy auf Keramik. Es scheint ein intakter Topf zu sein. Sie holt den Archäologen, der beschließt, den Topf zu bergen anstatt an Fläche oder Profil weiterzuarbeiten. Der Schnitt wird also um einige Zentimeter vergrößert oder abgetäuft.

Der Topf ist tatsächlich intakt und ziemlich schwer. Die Restauratoren können ihn öffnen und die etwas verklebten und verkrusteten Münzen daraus bergen und aufbereiten.

Die Numismatiker sortieren die Münzen nun nach Herkunft und Datum. Dabei fällt Ihnen auf, dass es zwei Peaks gibt, also zwei Zeiträume im Abstand von etwa 50 Jahren, aus denen besonders viele Münzen in dem Schatz sind. Gleichzeitig wissen sie aber, dass diese Münzen statistisch nicht öfter gefunden werden als andere. Sie können daraus also deduzieren, dass es sich um zwei zu unterschiedlichen Zeiten gesammelte Münzschätze, die irgendwie zusammen gekommen sein müssen, handeln muss.

Die Geschichte von Aethelstan, Adalmar und Lucy ist natürlich frei erfunden, das einzige, was daran stimmt, sind wiederholte Wikingerüberfälle auf das Kloster Lindisfarne. Sie soll illustrieren, wie sich reine Lehre (Auswertung von Münzschatzfunden) und mögliche archäonumismatische Praxis unterscheiden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Eine Münze die nach 9 + geprägt wurde wäre dann entscheidend für die Feststellung, dass dort keine Varusschlacht statt fand.

Nein. Ganz einfach nein.

Die Truppen des Germanicus waren Jahre später am Schlachtort, könnten dort mit hoher Wahrscheinlichkeit Münzen oder Waffenteile verloren haben. Und selbst römische Streufunde aus späteren Jahrhunderten wären möglich. Und würden nicht im geringsten den Ort als Ort der Varusschlacht in Frage stellen.
 
Hallo El Quijote,
so ist es, denn wie Du weißt ist Dio ist für mich der Leitfaden und m.E. ergänzen ihn Paterculus, Florus und Tacitus. Unauflösliche Widersprüche kann ich kaum erkennen. Das Thema Vegetation also dichter Bewuchs etc. sind für mich kein Thema und es kommt in meinen Recherchen so gut wie gar nicht vor, da sich nichts daran fest machen lässt. Nur einmal weicht Dio vom Standard ab und wird deutlich, als er nämlich Varus nach dem Abzug aus seinem Castra auf offenes Land blicken lässt.

So richtig lassen sich Florus und die anderen drei Autoren aber nicht harmonisieren. Florus' Kritik ist ja, dass Varus gedacht habe, er könnte den wilden Barbaren mit Gerichtsdienern und Liktoren beikommen. Er habe (trotz einer Warnung des Segestes) einen Gerichtstag einberufen, und dort hätten die Germanen ihn von allen Seiten angegriffen und drei Legionen vernichtet. Florus berichtet sogar von ausgesuchten Martern, welche die Germanen gerade den Juristen zugefügt hätten.

Ganz leichte Anklänge kann man allenfalls an Velleius' Kritik finden, Varus habe sich verhalten, als spreche er auf dem Forum recht und so einen Sommerfeldzug durch Gerichtstage verpasst. Auch Velleius erwähnt aber, die Römer seien bei der Schlacht zwischen Wäldern, Sümpfen und Fallen eingeschlossen worden. Man wird wohl nicht annehmen, dass Varus an einem solchen Ort Recht sprechen wollte. Bei Dio handelt es sich um eine mitten in der Wildnis gelegte Falle, bei Tacitus muss Caecina erst Brücken und Dämme anlegen lassen, um das Schlachtfeld zu erreichen. Florus stellt sich die Umstände der Niederlage also eindeutig ganz anders vor als Tacitus, Dio und Velleius.

Edit: Ich sehe gerade, dass Ravenik das auch schon geschrieben hat. Ich bin also keine eigentständige Quelle. :)
 
die anderen monieren das Fehlen eben dieser postvarianischen Münzen, ohne die Germanicus gar nicht hier gewesen sein könne, so als hätten die Römer ihre Geldmünzen in die Gegend verstreut, wie Hänsel und Gretel ihre Brotkrumen. Das ist in der Summe betrachtet schon ziemlich schizophren.
t.
Ich würde es eher als seltsam empfinden. Die Truppen des Germanicus kämpften zwar nicht, aber sie arbeiteten körperlich beim Zusammentragen der Gebeine und beim Anlegen des Tumulus. Da geht schon mal was verloren. Und das bleibt sogar liegen, weil sich Jahre nach der Schlacht kaum noch ein Germane für das Schlachtfeld interessieren dürfte. Wie hoch der Anteil infrage kommender postvarianischer Prägungen am Gesamtinhalt eines Geldbeutels der arbeitenden Legionäre war, ist mir allerdings nicht bekannt.
 
Sorry El Quijote und all die anderen. Denn obwohl ich es gerne würde, so fühle ich mich doch außerstande auf jede Rückfrage oder jeden Diskussionspunkt explizit einzugehen. "Zuletzt habe ich ähnliches bei Synchron Schachveranstaltungen erlebt". Zumal ich auch noch an einem weiteren Varuskapitel schreiben möchte und nächste Woche wieder bei der Uni Trier rein schneien um nicht zu sagen nerven möchte wo übrigens der Leiter der Varusgesellschaft eine Professur ausübt. Sollte aber jemand wirklich einen ganz wichtigen Punkt haben den er unbedingt mit mir ansprechen möchte, dann bitte kurz via Mail (Leyhe-Ulrich@t-online.de) ankündigen dann können wir ihn auch anschließend hier veröffentlichen, aber Euer Diskussionsvolumen bzw. Euer Bedarf erschlägt mich nahezu. Ihr seit eine gute, interessante und teilweise auch qualifizierte Truppe auch wenn meine Vorstellungen in eine völlig andere Richtung abdriften und ihr auch viele meiner Steilvorlagen unbeachtet gelassen habt. Das Thema Varusschlacht ist einfach zu umfänglich. Karrentaugliche Überwege über die Egge, die kuriose im Zuge meiner Recherchen aufgedeckte Verbindung mit der Irminsul nahe Borlinghausen, der Goldfund vom Sintfeld, die Definition von "Saltus" und Prof. Lelgemann nicht zu vergessen der im Geodäsie Team arbeitend mir viele Hinweise gab da ist also noch so vieles.

Daher nur mal noch ganz kurz was frisch gelesenes rauskopiertes zum Thema Hellwege:

"Östlich des Lagers Anreppen wurde ein 24 Meter breiter Straßenzug aufgedeckt, der durch seine Gräben, nicht aber die Fahrbahn selbst erkennbar ist. Diese bestand vermutlich, wie andere Strecken vor einem festen Ausbau
nur aus einer Sandpiste und wird in Analogie zu einemähnlichen Befund bei Haltern als römische Bahn gedeutet; denn auf der gleichen Trasse verläuft eine eindeutig jüngere Straße, die große Ähnlichkeit mit dem andernorts aufgedeckten mittelalterlichen Hellweg hat. Römische Schuhnägel aus der Umgebung legen eine entsprechende Nutzung nahe. Das Beispiel Anreppen zeigt daher: Einen Verkehrsweg als Römerstraße anzusprechen, ist von der Typologie her zwar nicht einfach, aber die Wahrscheinlichkeit, dass ein jüngerer Weg einen römischen nutzt, ist bisweilen recht hoch. Dies bedeutet auch, dass eine römische Trasse auf einer wiederum älteren verlaufen sein kann, ohne, dass dies sich nachweisen lässt".

Gruß Ulrich Leyhe
 

Hallo El Quijote.

Zur Begrifflichkeit der "Rosinenpickerei".
Fakt ist, ich suche nach dem Verbindenden und nicht nach dem Trennenden um ein Basis zu finden mit der sich lösungsorientiert der Örtlichkeit näher kommen lässt. Letztlich sind es immer nur alles geschichtliche Erzählungen weil die, die es berichten selten Zeitzeugen sind. Das Dio uns eine Schlachtenabfolge anbietet hebt ihn von den anderen Erzählern ab und man darf es mit einer möglichen Landschaft abgleichen. Ein Korridor der nach meiner Theorie in der Weserschleife bei Höxter seinen Anfang und der vor der Eggewand westlich Borlinghausen endete. Dio legt aber ein nacktes Zahlenwerk Tag 1,2, 3 und Ende vor, aus dem Wissen und Fakten sprechen.
Damit es dann mit menschlichem Erzählbedürfnis anzureichern trug er den Wünschen seiner Leserschaft Rechnung und wir dürfen dies und nur dies daher auch geflissentlich ausklammern. Das wäre dann faktenbezogene "Rosinenpickerei" dem ich zustimmen kann. Übrigens hieß nach meinen Recherchen der erste Hellweg Helvius und befand sich in Belgien in Rtg. Kanalküste, mögl. ein römischer Straßenbaumeister ?

Gruß

Ulrich Leyhe
 
Von Florus wissen wir sicher, dass er sich aus Militärdiensten freigekauft hat und in seinem cursus honorum nur die Verwaltungsämter besetzte hat.
Ich bin gerade etwas verblüfft: Wo steht das? Ich kenne das so ähnlich nur von Sueton, der sich (mit Hilfe seines Freundes Plinius) vor seinem Militärtribunat (das ihm Plinius erst verschafft hatte) drückte.

Auch Velleius erwähnt aber, die Römer seien bei der Schlacht zwischen Wäldern, Sümpfen und Fallen eingeschlossen worden. Man wird wohl nicht annehmen, dass Varus an einem solchen Ort Recht sprechen wollte.
Wenn man Florus ernst nehmen möchte, wäre es sogar so gewesen: Zuerst schildert er die Schlacht ums Lager, in dem Varus seinen Gerichtstag hielt, dann schreibt er, nichts sei grauslicher gewesen als jenes Gemetzel zwischen Sümpfen und Wäldern (Nihil illa caede per paludes perque silvas cruentius). Außerdem stürzte sich ein Signifer in einen Sumpf. Demzufolge hätte Varus sein Lager, in dem er einen Gerichtstag abhalten wollte, das also wohl recht planmäßig (und für mehr als nur einen Tag) angelegt wurde, zwischen Sümpfen und Wäldern errichtet.
 
Ich bin gerade etwas verblüfft: Wo steht das? Ich kenne das so ähnlich nur von Sueton, der sich (mit Hilfe seines Freundes Plinius) vor seinem Militärtribunat (das ihm Plinius erst verschafft hatte) drückte.
Ähm... :oops: ... ich habe mich tatsächlich mit Sueton vertan, danke für die Richtigstellung.
 
Ich bin gerade etwas verblüfft: Wo steht das? Ich kenne das so ähnlich nur von Sueton, der sich (mit Hilfe seines Freundes Plinius) vor seinem Militärtribunat (das ihm Plinius erst verschafft hatte) drückte.


Wenn man Florus ernst nehmen möchte, wäre es sogar so gewesen: Zuerst schildert er die Schlacht ums Lager, in dem Varus seinen Gerichtstag hielt, dann schreibt er, nichts sei grauslicher gewesen als jenes Gemetzel zwischen Sümpfen und Wäldern (Nihil illa caede per paludes perque silvas cruentius). Außerdem stürzte sich ein Signifer in einen Sumpf. Demzufolge hätte Varus sein Lager, in dem er einen Gerichtstag abhalten wollte, das also wohl recht planmäßig (und für mehr als nur einen Tag) angelegt wurde, zwischen Sümpfen und Wäldern errichtet.

Hallo Ravenik,

eine gutes und von mir übersehenes Argument für meine Theorie, dass man sich für ein Gerichtslager keinen derartigen Platz sucht. Es würde dann mit Dio über einstimmen der es als Notlager bezeichnet und das 1. Vari Castra meint.

Gruß Ulrich Leyhe
 
Ich würde es ja eher als ein Argument dafür sehen, dass Florus keine sehr zuverlässige Quelle ist, weil er nicht bloß im Widerspruch zu anderen Quellen steht, sondern sogar selbst nicht konsequent in seiner Darstellung ist. Er schreibt ja, dass Varus im Vertrauen auf den sicheren Frieden so unvorsichtig und selbstgewiss war, eine Gerichtsversammlung einzuberufen und sogar die Warnung des Segestes in den Wind geschlagen habe. So sei Varus dann nichtsahnend von allen Seiten angegriffen, das Lager geplündert und drei Legionen aufgerieben worden.

Danach nennt er dann die Martern, denen besonders die Juristen unterworfen wurden und beklagt - wie Ravenik schon sagte - die Katastrophe in Sümpfen und Wäldern. Weshalb sollte Varus mitten in Sümpfen und Wäldern einen Gerichtstag einberufen?
 
Ich würde es ja eher als ein Argument dafür sehen, dass Florus keine sehr zuverlässige Quelle ist, weil er nicht bloß im Widerspruch zu anderen Quellen steht, sondern sogar selbst nicht konsequent in seiner Darstellung ist. Er schreibt ja, dass Varus im Vertrauen auf den sicheren Frieden so unvorsichtig und selbstgewiss war, eine Gerichtsversammlung einzuberufen und sogar die Warnung des Segestes in den Wind geschlagen habe. So sei Varus dann nichtsahnend von allen Seiten angegriffen, das Lager geplündert und drei Legionen aufgerieben worden.

Danach nennt er dann die Martern, denen besonders die Juristen unterworfen wurden und beklagt - wie Ravenik schon sagte - die Katastrophe in Sümpfen und Wäldern. Weshalb sollte Varus mitten in Sümpfen und Wäldern einen Gerichtstag einberufen?

wir haben nichts besseres und müssen auf dem basieren was da ist. Den Luxus Florus abzulehnen können wir uns nicht erlauben
 
wir haben nichts besseres und müssen auf dem basieren was da ist. Den Luxus Florus abzulehnen können wir uns nicht erlauben
Wir haben schon reichlich. Mehr als über die meisten anderen Schlachten. Über den angeblichen* immensum bellum etwa wissen wir quasi nix, außer dass er wohl, zumindest in der augusteisch-tibetischen Propaganda, stattfand.
Wenn Florus, von dem wir wissen, dass er unzuverlässig ist, mit allen anderen bzgl. der Umstände der Schlacht im Widerspruch liegt, warum sollten wir ihn dann unbedingt dafür heranziehen?

Ich würde es eher als seltsam empfinden. Die Truppen des Germanicus kämpften zwar nicht, aber sie arbeiteten körperlich beim Zusammentragen der Gebeine und beim Anlegen des Tumulus. Da geht schon mal was verloren.
Natürlich. Kann passieren. Nur wie wahrscheinlich ist das? Wie oft verlierst du Geld, wenn du körperlich arbeitest? Lohnt sich das Arbeiten dann überhaupt noch, wenn du am Ende des Arbeitstages ärmer bist als am Anfang?

*das angeblich bezieht sich vor allem auf das immensum
 
wir haben nichts besseres und müssen auf dem basieren was da ist. Den Luxus Florus abzulehnen können wir uns nicht erlauben
Doch, können wir. Was bringt es, eine "Quelle" heranzuziehen, die offenkundig unbrauchbar ist? Sie zu verwenden würde in die Irre führen. (Nebenbei bemerkt muss man auch akzeptieren können, etwas nicht zu wissen. Die Verwendung untauglicher Informationen führt nicht zu Wissen, sondern zu Schein- bzw. Falschwissen.)
 
Wir haben schon reichlich. Mehr als über die meisten anderen Schlachten. Über den angeblichen* immensum bellum etwa wissen wir quasi nix, außer dass er wohl, zumindest in der augusteisch-tibetischen Propaganda, stattfand.

Wenn Florus, von dem wir wissen, dass er unzuverlässig ist, mit allen anderen bzgl. der Umstände der Schlacht im Widerspruch liegt, warum sollten wir ihn dann unbedingt dafür heranziehen?


Natürlich. Kann passieren. Nur wie wahrscheinlich ist das? Wie oft verlierst du Geld, wenn du körperlich arbeitest? Lohnt sich das Arbeiten dann überhaupt noch, wenn du am Ende des Arbeitstages ärmer bist als am Anfang?

*das angeblich bezieht sich vor allem auf das immensum

Hallo El Quijote,

ich würde sagen Theorie ist spekulatives Denken und ersetzt besseres Wissen.
Hobbyforscher sind nicht schlechter als Berufsforscher. Nimm die Wallanlagen die man zunächst als germanisch ansprach um dann zu sagen es könnten auch die Reste eines römischen Lagers gewesen sein oder die Fundverschleierung des Mundblechs mit der Ritzung "LPA" für "Legio Prima Augusta", einer Legion die erst zwischen 14 + und 16 + unter Germanicus in Germanien kämpfte.
Was Deine übrigen Auführungen anbelangt so bin ich da in Gänze d`accord mit Dir.
Ich habe Kalkriese was den Bezug zur Varusschlacht anbelangt noch nie groß auf dem Schirm gehabt, werde erst hier ständig damit konfrontiert.
Mit Knochenresten meinst Du die wenigen Funde die diesbezüglich dort gemacht wurde ? Dazu habe ich mir noch keine Meinung gebildet.

Doch, können wir. Was bringt es, eine "Quelle" heranzuziehen, die offenkundig unbrauchbar ist? Sie zu verwenden würde in die Irre führen. (Nebenbei bemerkt muss man auch akzeptieren können, etwas nicht zu wissen. Die Verwendung untauglicher Informationen führt nicht zu Wissen, sondern zu Schein- bzw. Falschwissen.)

So offensichtlich unbrauchbar ist sie nicht. Nimm den Goldadlerfund von Haaren und vergleiche es mit der Florus Überlieferung. Das passt vor allem auch deswegen weil Haaren 23 km westlich von Borlinghausen exakt auf der Fluchtroute der Legionen und damit basierend auf meiner Theorie liegt.

[mod: 2 Beiträge, 20:27, 20:33, zusammengeführt]
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Nimm den Goldadlerfund von Haaren und vergleiche es mit der Florus Überlieferung.

Ein Fund, der wohl selbst eher Legende als Geschichte ist.

Der Adler ist nicht erhalten, sondern soll angeblich eingeschmolzen worden sein. Es gibt keine zeitnahen Schriftquellen, sondern nur mündliche Überlieferung. Der Adler soll 1706 gefunden worden sein, erste schriftliche Erwähnung in einer Dorfchronik von 1863.

Google liefert für "Goldadlerfund von Haaren" nur sieben Ergebnisse. Der Adler hat in der Forschung offensichtlich keinen größeren Widerhall gefunden.

Goldadler-Haaren.PDF (arminius-forschung.de)
 
Zurück
Oben