Kinderbetreuung in der 2 Hälfte des 20. Jahrhunderts

wissbegierig

Neues Mitglied
Hallo,

ich bin neu auf dem Forum und hoffe, ich habe die richtige Rubrik für meine Fragen gewählt.
Bei mir geht es um das Thema Kinderbetreuung, und zwar nicht tagsüber wie in manchen anderen Posts, sondern abends. Dazu habe ich zwei Fragen: Die erste betrifft die Verifizierung einer Aussage, die zweite ist allgemeiner Art.

1.) Ihr kennt doch sicher die die typischen Zwei- oder Mehrfamilienhäuser, die in Westdeutschland ungefähr in den 60er-Jahren gebaut wurden. Oft wohnte dort im Untergeschoss die Vermieterfamilie, und darüber die Mieter.
Einmal fragte ich jemanden, wie Anfang der 70er Jahre Kleinkinder betreut wurden, wenn die Eltern abends irgendwelche Freunde besuchten. Ich erhielt folgende Antwort:
Die Kinder wurden ins Bett gebracht, und die Eltern warteten so lange, bis sie eingeschlafen waren. Dann ließen sie die Kinder allein in der Wohnung und begaben sich zu ihren Freunden. Vorher hatten sie sich noch vergewissert, dass an diesem Abend die Vermieter zu Hause waren und sie darum gebeten, nach den Kindern zu sehen, falls sie diese heulen hörten.
Das hat mich sehr überrascht. Ich frage mich, ob in solchen Fällen heutzutage nicht das Jugendamt einschreiten würde. Meine Gesprächspartnerin versicherte mir, das hätten damals alle ihre Bekannten so gemacht. (Eine kleine Präzisierung: Es handelt sich um Leute aus Akademikerkreisen, also Leute, die oft keine Verwandten am Ort oder in der Nähe hatten, zu denen sie die Kinder hätten bringen können.)
Jetzt meine Frage: War das damals wirklich gängige Praxis? Ist die Aussage meiner Gesprächspartnerin glaubwürdig?

2.) Wie wurde damals in den verschiedensten Familien die abendliche Kinderbetreung gehandhabt?

Vielen Dank im Voraus für eure Antworten.
 
Hallo @wissbegierig,

ich denke, da wäre es nicht unwichtig zu wissen, auf welches Alter sich die Aussage deiner Gesprächspartnerin bezog.

Der Begriff Kind/Kindheit umfasst grob die Spanne vom 2. Lebensjahr bis zum Übergang in die Pubertät, der sich je nach Entwicklungsstand und Auffassung irgendwo zwischen dem 10. und 14. Lebensjahr ansiedeln lassen wird.
Auch eine Eingrenzung auf Kleinkinder (deine Frage an deine Gesprächspartnerin) kann bezüglich Altersverständnis unterschiedlich aufgefasst werden. Viele verstehen darunter das 2. u. 3. Lebensjahr, für andere kann die Bezeichnung Kleinkind auch das 4. - 6. Lebensjahr (von anderen als Vorschulkind-Alter bezeichnet) umfassen.

Mit 5/6 Jahren habe ich (Kind der 70er) durchaus mal nen Zettel mit Telefonnummern von Oma u. Opa und von Nachbarn ausgehändigt bekommen. Was die Eltern darüber hinaus an Safety-Maßnahmen initiierten, kann ich nur spekulieren. So dürften/könnten bspw. erste völlig autonom empfundene Aktionen in "freier Wildbahn" (wie Gänge in den Kindergarten, Spiel am Dorfrand) vermutlich anfangs aus der Distanz beobachtend begleitet worden sein. So auch erste mit der knapp 2 Jahre jüngeren Schwester allein verbrachte Abende. Davor wird eingeübt worden sein, indem die Eltern morgens, mittags, nachmittags u. dann auch abends mal kurz und dann länger werdend bei den Nachbarn weilten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Kinder wurden ins Bett gebracht, und die Eltern warteten so lange, bis sie eingeschlafen waren. Dann ließen sie die Kinder allein in der Wohnung und begaben sich zu ihren Freunden. Vorher hatten sie sich noch vergewissert, dass an diesem Abend die Vermieter zu Hause waren und sie darum gebeten, nach den Kindern zu sehen, falls sie diese heulen hörten.
Das hat mich sehr überrascht. Ich frage mich, ob in solchen Fällen heutzutage nicht das Jugendamt einschreiten würde. Meine Gesprächspartnerin versicherte mir, das hätten damals alle ihre Bekannten so gemacht.
Warum um Himmels Willen sollte das Jugendamt einschreiten, wenn gute Bekannte aus der Nachbarschaft beauftragt werden, von Zeit zu Zeit nach den schlafenden Kindern zu schauen? Nehme an, dass Eltern mit Kleinkindern für die Aufgabe bevorzugt wurden, da man sich bei ihnen revanchieren konnte. In der Regel waren das eh Ausnahmefälle; Besuch im Theater oder so, und wohl selten wöchentliches Discofieber, zumal letzteres eher für Singles typisch und bei Paaren dann weniger akut.
Allerspätestens ab den 1980ern war das Babyphon sicherlich auch in D. weit verbreitet, was dem Nachbarn die Aufsicht erleichterte. Was ich aber auch kenne, dass entweder Verwandte in die Wohnung samt Übernachtung eingeladen werden, oder das Kind zu ihnen verfrachtet wird.
 
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Wieso sollten diese Aussagen nicht glaubwürdig sein? War damals in etwa so und ist teilweise auch heute noch so, warum auch nicht?

Was wäre denn Dein Alternativvorschlag damals gewesen?
 
Bei uns hieß das „sturmfreie Bude“. Wenn meine Eltern weg waren, gab es das Babyphone zur Nachbarin, solange meine Schwester (*frühe 70er) noch zu klein war, um auf mich (*späte 70er) aufzupassen. Ich habe das eine Gerät Jahre später einem Freund gegeben, so konnten wir von unseren Zimmern aus kommunizieren. Allerdings war der Empfang über die drei dazwischenliegenden Häuser sehr schlecht.
 
Kinderbetreuung 2-jährige Kinder ...

Die Zeit die da für mich in Frage kommt ist ja die Zeit Ende der 60iger/Anfang der 70iger.
Ich stamme ja aus der DDR und da hatten wir:
  • ab 1950 und ab 6. Lebenswoche die „Kindergrippe“,
  • ab 3. Lebensjahr den „Kindergarten“ und
  • ab Einschulung den „Kinderhort“ bis Ende der 4. Klasse.
  • ab dann waren die Kinder nach der Schule zu Hause.
Hier in diesen Thread geht es ja um die Kindergrippe.
Meine Frau blieb da zu Hause und wenn wir jemand brauchten - was in dieser Zeit selten vorkam –, da war eine unserer Mutter, bzw., Oma zur Stelle.


Die Kindergrippe haben wir >nicht< in Anspruch genommen.
Den Kindergarten ja und auch für beide, ebenso den Kinderhort.
 
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Danke schon einmal für die bisherigen Antworten.

Um es noch einmal zu präzisieren:
Es geht um abendliche/nächtliche Betreuung eines etwa zwei Jahre alten Kindes, ohne Betreuung durch ältere Geschwister. Babyphone hatte meine Gesprächspartnerin nicht. Meine Gesprächspartnerin mit ihrem Mann war nicht nur einmal eben drei Häuser weiter, sondern vielleicht einen Kilometer oder so, zu Besuch bei Freunden. Das Ganze verhielt sich nicht ausnahmsweise so, sondern öfters an Wochenenden. Was die "Betreuung" durch die Vermieter betrifft, so hat meine Gesprächspartnerin nicht erwähnt, dass diese in regelmäßigen Abständen nach dem Kind schauen sollten. Vielmehr klang es so, als wurde ganz einfach davon ausgegangen, dass das Kind schliefe und dass die Vermieter nur dann nach dem Rechten sehen sollten, wenn sie das Kind schreien hörten.
 
Früher bekamen die kleinen Kinder etwas Alkohol mit in die Milchflasche damit sie ruhig schliefen während die Mutter außer Haus war.
 
Ich schätze mal, dass das von @wissbegierig eingebrachte Beispiel auch in den 70ern nicht sonderlich verbreitet gewesen sein dürfte. Im Einzelfall sicher schon immer, im Zuge der 68er-Bewegung dann vielleicht sogar vermehrt, mag es einige Experimente bezüglich alternativer Familien-Organisation und Tagesgestaltung gegeben haben. Doch ich kann mir schwerlich vorstellen, dass es allgemein für normal erachtet worden sein sollte, sowohl vor dem Hintergrund weitergegebener Erfahrungswerte wie auch vor dem Hintergrund der damals vermehrt angestellten psychologisch basierten Entwicklungsstudien, ein schlafendes zweijähriges Kind im (dunklen) Zimmer für längere Zeit alleine zu lassen, ohne dass es nach Aufwachen mal eben um die Ecke gehend die Eltern oder sonst wen antreffen konnte.
 
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