Wo waren denn in der DDR die ehemaligen hochrangigen Nazis, die wieder bis in höchste Politämter aufgestiegen sind?
Die hat es in solchen Stil, wie in der BRD sicherlich nicht gegeben.
Die Frage ist aber, ob es sich dabei um ein besonderes Verdienst handelt, einfach schon deswegen, weil der Prozess des Aufstieges in der BRD und in der DDR vollkommen verschieden funktionierte.
In einem Land, dass nach demokratischen Gesichtspunkten funktioniert und in dem ein Großteil der Bevölkerung bei genauerem Hinsehen in irgendeiner Weise Dreck an den Händen hatte, konnte die Vorstellung alles gründlich zu sieben und bei jedem scharf nachzuspühren, was mit diesem Regime verquickt war nicht besonders populär sein.
Nicht weil die Bevölkerung ideologisch besonders an den schlimmsten NS-Tätern gehangen hätte, sondern weil jedem, der während dieser 12 Jahre irgendwas getan hatte, was man ihm später entsprechend zur Last legen konnte, auch wenn es weniger schlimm war (z.B. das Profitieren von "Arisierungen" etc.) natürlich fürchten musste, dass eine besonders gründliche Aufarbeitung in dem Sinne die Büchse der Pandora sein könnte, dass das eines Tages möglicherweise auch bei ihnen ankommt.
Das war halt die Logik der "Raubgemeinschaft" (oder wie immer man das bezeichnen möchte).
Kam es dannn ja auch irgendwann, bei den Meisten allerdings so spät, dass es ihnen nicht mehr wirklich schadete.
Diesen Aushandlungsprozess mit Altnazis und Profiteuren im Rahmen eines demokratischen Systems hat es natürlich in der DDR in dieser Form nicht gegeben.
Da wurde bereits während des Krieges im Moskauer Exil an den Konturen dessen gearbeitet, was dort später entstand und die Politische Klasse in der SBZ und später der DDR wurde mehr oder weniger auf Stalins Geheiß zusammengestellt und eingesetzt, spätere Erweiterungen dieses Kreises und Besetzungen von Ämtern Moskau zu Sanktionierung vorlegelt.
Wenn man natürlich die teilweise verwickelte Bevölkerung, die an besonders strenger Aufklärung kein Interesse hatte, weil sie dann möglicherweise selbst einiges zu erlären gehabt hätte, nicht in einem demokratischen Verfahren nach ihren Wünschen fragt, sondern ihnen einfach eine von außen aufgesetzte Regierung vorsetzt, die ihre Legitimität nicht aus demokratischen Vorgängen, sondern einzig aus den Bajonetten der Besatzungsmacht bezieht, auf die sie sich stützt, muss man natürlich die Befindlichkeiten dieser Bevölkerung und deren Konsequenzen bei der Besetzung von Ämtern nicht berücksichtigen und hat da eine freiere Hand Typen, die sich in der Vergangenheit schuldig gemacht hatten auszusortieren.
Das ist sicher eine der vorteilhafteren Konsequenzen der Strukturen der frühen DDR gewesen, die Frage ist aber, bei allen Sympathien dafür die Altnazis jedenfalls aus den meisten entscheidenden Positionen herausgehalten zu haben, ob das ein sinnvolles Kriterium im Vergleich der beiden deutschen Staaten sein kann.
In jeden Fall halte ich es für falsch diesen Umstand einer besonders antifaschischten Staatsdoktrin zuzuschreiben oder umgekehrt schlussfolgern zu wollen, dass die BRD als Staat besondere Affinität zu den Altnazis gehabt hätte.
Wären Adenauer, der ja unter dem NS-Regime selbst zu den Verfolgten gehörte und andere in der Position gewesen, wie dass das Politbüro und das ZK der werdenden DDR waren, dass sie ohne Rücksicht auf die Befindlichkeit der Bevölkerung und demokratische Aushandlungsprozesse ihre Kandidaten hätte einsetzen können, in dem Wissen, dass sollte das Volk dagegen Aufmucken die Westmächte dann eben Panzer rollen lassen würden, dann hätte die Besetzung der Spitzenpositionen der Ministerien und Behörden in der jungen Bundesrepublik sicherlich anders ausgesehen.
Umgekehrt, hätte es in der DDR ein demokratisches System und (tatsächlich) freie Wahlen (mit damit verbundener offener Machtverteilung) gegeben, würde das Bild mit ziemlicher Sicherheit ähnlich ausgesehen haben, wie in der Bundesrepublik, weil auch hier genügend von den einfachen Leuten hinreichend Dreck am Stecken hatten, nicht unbedingt besonders scharf auf weitgehennde Aufarbeitung und Konsequenzen daraus zu sein.
Wo waren in den 50ern und 60ern die Ehrungen für Widerstandskämpfer wie Thälmann, die von den Nazis ermordet wurden?
Man könnte im Gegenzug fragen, wo war in der DDR die nüchterne Betrachtung Thälmanns als Wegbereiter für die NS-Diktatur, insofern er als Chef der KPD damals ja nicht unwesentlich seinen Genossen den Kampf gegen die Demokratie anstatt gegen die Nazis einschärfte?
Hätte sich der Widerstandskämpfer Thälmann in der Weimarer Republik so antifaschistisch gezeigt, wie sich die DDR später gerierte, wäre es zu einem Hitlerregime nicht gekommen.
Denn wenn der Kampf gegen den Faschismus bei Thälmannn Vorrang gehabt hätte, hätte ihn das ja veranlassen müssen auf eine Stärkung der demokratischen Regierungen und falls nötig auch deren vorübergehende Toleranz (im Sinne einer Minderheitsregierung) bei seinen Genossen zu erwirken um jedem Versuch einer Machtübernahme der Nazis oder dem Aufweichen der Bedeutung des Parlaments durch Präsidialverordnungen und -Kabinette von vorn herein den Boden zu entziehen.
Dafür, dass es gewisse Wiederstände gab, einen Mann im besonderen Maße zu ehren, der an der Zerstörung der Demokratie und an der Machtübernahme der Nazis durchaus seine Aktien hatte, habe ich durchaus Verständnis.
Ich würde dir insofern sicherlich recht geben, dass das reichlich inkonsequent war, wenn man bedenkt, dass die Ehrungenn für Hindenburg und andere, die da auch mitgewirtkt hatten stehen blieben.
Die Aufarbeitung in der BRD, die du hier so feierst, musste ua von den 68ern gegen den erbitterten Widerstand des Establishments der Bundesrepublik erkämpft werden.
Nunja, das Nichtaufnehmen von Altnazis in Spitzenfunktionen in der DDR musste mit einem autoritärem Regime erkauft werden. Ich weiß nicht ob das besser ist, davon abgesehen, dass ich das durchaus nicht so wahrgenommen habe, als hätte
@Scorpio die Aufarbeitung in der BRD "gefeiert".
Wann war denn in der BRD von Sinti & Roma oder Homosexuellen als Opfer der Nazis die Rede? Wann wurde doch gleich Homosexualität in BRD und DDR entkriminalisiert?
Das ist allerdings wahr und darf an der Aufarbeitung, Geschichtspolitik und Gesetzgebung der Bundesrepublik sicherlich gerne kritisiert werden, da gibt es noch einiges aufzuarbeiten.
Allerdings, sollte man dabei nicht übersehen, dass die Bundesrepublik nicht der einzige Deutsche Staat war, der Opfergruppen des NS-Regimes die Gerechtigkeit verweigert und durchaus auch Gruppen repressiert hat, die schon unter dem NS-Regime gelitten hatten.
Es wäre mir z.B. neu, dass die DDR etwa besonderen Wert darauf gelegt hätte etwa von "Arisierungen" betroffenes Eigentum (im Besonderen an Produktionsmitteln) zurück zu erstatten oder die vormaligen Besitzer, sofern diese noch am Leben waren ausfindig zu machen und angemessen zu entschädigen.
Mit tatsächlich freien Gewerkschaften und anderen Einrichtungen hatte man es in der DDR ja auch nicht so unbedingt.
Da wurden dann zwar möglicherweise Gewerkschaftler, die gegen die Nazis gewesen waren dafür geehrt, deren Aktivitäten allerdings, sofern sie sich nicht politisch unterordneten in ähnlicher Weise kriminalisiert wie zu anderen Zeiten.
Offen gesagt verstehe ich nicht ganz, warum man diese Diskussion so hitzig führen muss. Der kalte Krieg ist vorbei (jedenfalls was die Deutsche Teilung betrifft), die Aufarbeitung läuft.