Balkankrieg 1912/13: Internationale Intervention

So, jetzt komme ich doch gerade einmal dazu auf einen Teil einzugehen:

Insofern die Annexion Bosniens und der Herzegowina das Territorium der K.u.K.-Monarchie erweiterte.
Auch wenn das Gebiet sich bereits vorher unter österreichisch-ungarischer Kontrolle befand, letztenendes war es rechtlich vor der Annexion nicht Gebiet der K.u.K.-Monarchie, sondern des Osmanischen Reiches.

Daran gibt es eigentlich auch nicht viel zu diskutieren.


Du machst schon wieder ein neues Thema auf.
Und du mit deinem Abstellen auf Tripolis nicht? ;-)

Nette Metapher.:) Nur passt diese nicht so ganz. Konstantinopel hatte den formal zugestimmt. Ich habe übrigens oben ein paar Beispiele für diese imperialistische Praxis erwähnt gehabt.

Konstantinopel hatte der Besetzung formal zugestimmt, weil ihm angesichts der militärischen Niederlage gegen Russland keine anderen Möglichkeiten blieben, da keine Kampfmittel mehr zu gebote standen um sich dagegen zu verteidigen.

Das ist dann in etwa so, um bei der Methapher zu bleiben, als würde der Hausbesetzer dem Hausbesitzer vorher noch ein Messer unter die Nase halten und diesen nötigen ihm eine formale Erlaubnis zur Besetzung der Immobilie auszustellen.
Würde unter diesen Umständen auch vor keinem Recht der Welt bestand haben. :)



Ja, das ist vollkommen korrekt; es sind außereuropäische Gebiete. Das ändert doch aber letzten Endes an der Sache rein gar nichts.
Ob das etwas ändert weiß ich nicht, da mir nicht bekannt ist, ob der Kompensationsartikel lediglich auf innereuropäische Zugewinne abstellte und wenn ja, wie in diesem Sinne Europa definiert wurde (nicht wenige hielten den Balkan und die Ägäis ja bereits für "Orient") oder ob dem globale Geltung zugeschrieben wurde.

Ich habe Tripolis ausgeklammert, weil ich mir da selbst nicht sicher bin, aber die fällige Kompensation für Rhodos und die ägäischen Inseln ja durchaus nicht unter den Tisch fallen lassen.
Insofern ist die Behauptung ich hätte ausschließlich auf italienische Kompensation abgestellt nicht richtig.
Ich hatte eigentlich ausdrücklich geschrieben, dass man auf dieser Ebene durchaus behaupten könnte, Österreich und Italien seien nach dem Tripolis-Krieg gewissermaßen quitt gewesen, weil jede Seite der anderen einmal die vertraglich fällige Kompensation verweigert hatte.
Was dadurch natürlich nicht aus der Welt kam, war das durch die Missachtung der Verträge erzeugte Misstrauen.


Am 04.September 1908, also kurz vor der Annexion, traf sich Aehrenthal in Salzburg mit dem italienischen Außenminister Tittoni. Tittoni erkannte den Anspruch der Monarchie auf Bosnien und der Herzegowina an Die Gespräche verliefen in einer freundlichen Atmosphäre. Tittoni machte keinen Anspruch für Italien auf Kompensation geltend. Dies wäre hierfür aber genau der richtige Zeitpunkt gewesen.

Da wäre die Frage hier aber, inwiefern Tittoni hier auf Kompensation hätte pochen müssen, nachdem Kompensation durch den Dreibundvertrag bereits rechtlich verankert war.
Und inwiefern war das der richtige Zeitpunkt? Noch hatte Österreich-Ungarn ja keine faktischen Schritte zur Annexion unternommen sondern lediglich die Absicht bekundet das zu tun, damit war ja eine tatsächliche Veränderung des Status Quo, die Grundlage der Kompensation darstellte noch nicht gegeben.

Das konnte man sicherlich im Kontext des 1. Weltkriegs, so man Österreich Annexionswünsche unterstellte, anders beurteilen, nachdem es begonnen hatte aktiv Krieg zu führen.
 
Das ist ein wenig sehr pauschal. Österreich rüstete nicht ab 1914 zum Kriege gegen Italien. Österreich hatte keine Bündnisse mit den potenziellen Gegnern abgeschlossen. Österreich hatte nicht mal eben gegen Italien mobil gemacht. Österreich machte Italien nicht seine Interessensphären streitig.

1. Auch Italien hatte bis 1915 auch keine Bündnisse abeschlossen, die dem Inhalt des Dreibundvertrags direkt widersprachen.
2. Italien hatte durchaus das Recht Verträge abzuschließen, die dem Dreibundvertrag nicht direkt widersprachen, auch wenn es sich um Abkommen mit Mächten handelte, die ein anderer Dreibundpartner möglicherweise für einen potentiellen Gegner hielt.
3. Ich weiß nach wie vor nicht, warum du dich in dieser Form an der italienischen Teilmobilmachung hochziehst.
Zunächst einmal würde ich da gerne wissen, wie du auf die Idee kommst, dass diese Mobilmachung explizit gegen Österreich gerichtet war und nicht etwa lediglich eine Vorsichtsmaßnahme wegen der sich am Balkan krisenhaft zuspitzenden Lage darstellte.
4. Hätte Italien tatsächlich beabsichtigt Österreich-Ungarn explizit zu drohen oder gar Krieg gegen die Donaumonarchie zu führen, hätte man keine Teilmobilmachung, sondern eine Generalmobilmachung durchgeführt, vor einer Teilmobilmachung ausschließlich in Oberitalien musste in Wien sicherlich niemand zittern.
5. Darf ich einmal daran erinnern, dass sich Wien einen Generalstabschef leistete, der gefühlt alle 2 Wochen forderte den eigenen italienischen Bündnispartner zu überfallen und dem man durchaus auch unterstellen konnte einen solchen Krieg schonmal generalstabsmäßig vorzubereiten.
6. War klar, dass in Wien in absehbarer Zeit ein Thronwechsel anstehen würde und dabei ein junger, vollkommen unerfahrener Monarch auf den Thron käme, dessen Verhältnis zu Italien bekanntermaßen nicht das Beste war.


Erwiderungen lese ich mir gerne an, kann aber noch nicht sagen, wann ich Zeit haben werde darauf einzugehen :)
 
nsofern die Annexion Bosniens und der Herzegowina das Territorium der K.u.K.-Monarchie erweiterte.
Auch wenn das Gebiet sich bereits vorher unter österreichisch-ungarischer Kontrolle befand, letztenendes war es rechtlich vor der Annexion nicht Gebiet der K.u.K.-Monarchie, sondern des Osmanischen Reiches.

Daran gibt es eigentlich auch nicht viel zu diskutieren.

Formaljuristisch ist das natürlich korrekt. In der Sache geht es m.E. nach vorbei. Wie schon gesagt, es wurde lediglich ein de facto Zustand in einem de jure Zustand umgewandelt. Ich erwähnte ja auch schon, dass niemand ernsthaft daran dachte, das die Gebiete jemals wieder, eben nicht nur auf dem Papier, zum Osmanischen Reich zurückkommen würden. Genauso wie Ägypten oder Tripolis oder Syrien.
 
Und du mit deinem Abstellen auf Tripolis nicht? ;-)

Der Tripoliskrieg zeigt deutlich das imperialistische Vorgehen, unter Anwendung erheblicher Gewalt von Seiten Italiens, keinen Eroberungskrieg vom Zaune brach und sich mit Konstantinopel auf eine Entschädigung geeinigt hat. Das ist schon ein qualitativer Unterschied.

Konstantinopel hatte der Besetzung formal zugestimmt, weil ihm angesichts der militärischen Niederlage gegen Russland keine anderen Möglichkeiten blieben, da keine Kampfmittel mehr zu gebote standen um sich dagegen zu verteidigen.

Das ist dann in etwa so, um bei der Methapher zu bleiben, als würde der Hausbesetzer dem Hausbesitzer vorher noch ein Messer unter die Nase halten und diesen nötigen ihm eine formale Erlaubnis zur Besetzung der Immobilie auszustellen.
Würde unter diesen Umständen auch vor keinem Recht der Welt bestand haben. :)

Sicher, aber das ändert ja aber nichts an der inhaltlichen Aussage meines Beitrages. ÖU war hatte hier nun auch gewiss keine neuen Wegen beschritten. 1840 haben die europäischen Mächte Sultan Mehmed Ali gezwungen Syrien herzugeben. Ägypten ist ein anderes Beispiel.


Da wäre die Frage hier aber, inwiefern Tittoni hier auf Kompensation hätte pochen müssen, nachdem Kompensation durch den Dreibundvertrag bereits rechtlich verankert war.

Also der Anspruch muss wohl doch schon angemeldet werden. Sollte Aehrenthal in die Glaskugel schauen...

Und inwiefern war das der richtige Zeitpunkt? Noch hatte Österreich-Ungarn ja keine faktischen Schritte zur Annexion unternommen sondern lediglich die Absicht bekundet das zu tun, damit war ja eine tatsächliche Veränderung des Status Quo, die Grundlage der Kompensation darstellte noch nicht gegeben.

Ist das denn wirklich nicht klar. Aehrenthal informiert Tittoni vor der Annexion. Es wäre hier der Zeitpunkt für Tittoni gewesen Ansprüche anzumelden und ggf. in einem Meinungsaustausch mit Aehrenthal einzutreten. Aehrenthal dürfte genauso gedacht haben. denn ansonsten hätte er es wohl nicht notwendig erachtet, diesen Vorgang schriftlich zu dokumentieren. Und ich finde das nachvollziebar.
 
2. Italien hatte durchaus das Recht Verträge abzuschließen, die dem Dreibundvertrag nicht direkt widersprachen, auch wenn es sich um Abkommen mit Mächten handelte, die ein anderer Dreibundpartner möglicherweise für einen potentiellen Gegner hielt.

Sicherlich. Guter Stil ist aber etwas ganz anderes. Die Dreibundabmachungen kennst du sicherlich, und dann das Bündnis mit Frankreich und die Abmachungen mit Russland.
 
3. Ich weiß nach wie vor nicht, warum du dich in dieser Form an der italienischen Teilmobilmachung hochziehst.
Zunächst einmal würde ich da gerne wissen, wie du auf die Idee kommst, dass diese Mobilmachung explizit gegen Österreich gerichtet war und nicht etwa lediglich eine Vorsichtsmaßnahme wegen der sich am Balkan krisenhaft zuspitzenden Lage darstellte.

Durch eine Teilmobilmachung würde die Krise nun sicher eher verschärft, als entschärft. Wer bitte hatte dann Italien bedroht, das eine Teilmobilmachung notwendig machte?
Die Teilmobilmachung war eine Drohkulisse gegen ÖU.
 
. Hätte Italien tatsächlich beabsichtigt Österreich-Ungarn explizit zu drohen oder gar Krieg gegen die Donaumonarchie zu führen, hätte man keine Teilmobilmachung, sondern eine Generalmobilmachung durchgeführt, vor einer Teilmobilmachung ausschließlich in Oberitalien musste in Wien sicherlich niemand zittern.

Es hat auch niemand in Wien gezittert. Es war eine Drohung. ÖU hatte vor Italien keine Angst.
 
Darf ich einmal daran erinnern, dass sich Wien einen Generalstabschef leistete, der gefühlt alle 2 Wochen forderte den eigenen italienischen Bündnispartner zu überfallen und dem man durchaus auch unterstellen konnte einen solchen Krieg schonmal generalstabsmäßig vorzubereiten.

Klar darfst du das.:D

Dieser Generalstabschef dürfte sich im Nachhinein mit seinen Forderungen und Unkenrufen bestätigt fühlen.
Er wollte mal mit Serbien und mal mit Italien Krieg führen. Beide Länder im Ersten Weltkrieg Gegner Österreich-Ungarns.
 
War klar, dass in Wien in absehbarer Zeit ein Thronwechsel anstehen würde und dabei ein junger, vollkommen unerfahrener Monarch auf den Thron käme, dessen Verhältnis zu Italien bekanntermaßen nicht das Beste war.

So unerfahren war Franz Ferdinand nun auch nicht. Er war sicher kein großer Freund Italiens, aber einen Krieg gegen Rom lehnte er strikt ab.
 
Formaljuristisch ist das natürlich korrekt. In der Sache geht es m.E. nach vorbei. Wie schon gesagt, es wurde lediglich ein de facto Zustand in einem de jure Zustand umgewandelt. Ich erwähnte ja auch schon, dass niemand ernsthaft daran dachte, das die Gebiete jemals wieder, eben nicht nur auf dem Papier, zum Osmanischen Reich zurückkommen würden. Genauso wie Ägypten oder Tripolis oder Syrien.

So weit mir bekannt, zielen Internationale Verträge, so auch der Dreibundvertrag noch immer auf den "de jure Zustand" ab, nicht auf irgendwelche Kategorien abseits davon.

Dadurch, dass man damit rechnete, dass das Osmanische Reich diese Territorien mittelfristig abtreten und die Donaumonarchie sie mittelfristig annektieren würde, war diese Annexion noch nicht vollzogen, sondern nur eine wahrscheinliche Zukunftsoption.

Der Tripoliskrieg zeigt deutlich das imperialistische Vorgehen, unter Anwendung erheblicher Gewalt von Seiten Italiens, keinen Eroberungskrieg vom Zaune brach und sich mit Konstantinopel auf eine Entschädigung geeinigt hat. Das ist schon ein qualitativer Unterschied.
Der Unterschied besteht darin, dass die Donaumonarchie die Anwendung erheblicher Gewalt im imperialistischen Maßstab vorher Russland überlassen hatte und dann seine Position gegen ein nicht mehr wehrhaftes Land durchsetzte.

Mal abgesehen davon, dass auch von Österreichisch-Ungarischer Seite her im Kontext der Besetzung durchaus massive Gewalt angewendet wurde:
Okkupationsfeldzug in Bosnien – Wikipedia

Also der Anspruch muss wohl doch schon angemeldet werden. Sollte Aehrenthal in die Glaskugel schauen...
Aerenthal musste nicht in die Glaskugel schauen, sondern nur in den Dreibundvertrag.

Ist das denn wirklich nicht klar. Aehrenthal informiert Tittoni vor der Annexion. Es wäre hier der Zeitpunkt für Tittoni gewesen Ansprüche anzumelden und ggf. in einem Meinungsaustausch mit Aehrenthal einzutreten. Aehrenthal dürfte genauso gedacht haben. denn ansonsten hätte er es wohl nicht notwendig erachtet, diesen Vorgang schriftlich zu dokumentieren. Und ich finde das nachvollziebar.
Nein, ist es nicht, weil die Absichtsbekundung eine Annexion durchzusetzen ja durchaus nicht verhinderte, dass da möglicherweise noch eine andere Macht dazwischen grätschte und das in irgendeiner Form verhinderte.

1902 mit Frankreich und 1909 mit Russland. Formal kein Widerspruch zum Dreibund, aber ein grober Verstoß gegen den Geist des Dreibundvertrages!

Ja, dass das gegen den Geist des Dreibundvertrags gewesen wäre behauptest du immer wieder. Nur hast du mir bisher noch nicht plausibel erklären können, wie du zu dem Schluss kommst.
Mal davon abgesehen Italien war ja nicht der einzige Partner, der sich nach anderen Alternativen umsah.

KWII hatte in Björkö ja ausch schon einmal etwas ausverhandelt, dass man als "gegen den Geist des Dreibundvertrags" titulieren könnte, ebenso konnte man den bismarckschen Rückversicherungsvertrag als ein Vertragswerk auslegen, das dem Geiste des Dreibunds und des Zweibunds wiedersprach.

Regst du dich relativ selten drüber auf :)


Sicherlich. Guter Stil ist aber etwas ganz anderes. Die Dreibundabmachungen kennst du sicherlich, und dann das Bündnis mit Frankreich und die Abmachungen mit Russland.
Ja, aber inwiefern sind die etwas anderes gewesen als KW IIs Versuch ein Bündnis mit Russland auf die Beine zu stellen oder die Bismarck'sche Rückendeckung für Ferrys Kolonialpolitik, die sicherlich nicht immer ganz den italienischen Interessen entsprach.

Durch eine Teilmobilmachung würde die Krise nun sicher eher verschärft, als entschärft. Wer bitte hatte dann Italien bedroht, das eine Teilmobilmachung notwendig machte?
Die Annexionskrise konnte je nachdem, wer die Hauptparteien deckte in einen allgemeinen europäischen Krieg führen und der hätte möglicherweise auch Italien betroffen.

Es hat auch niemand in Wien gezittert. Es war eine Drohung. ÖU hatte vor Italien keine Angst.
Verrate mir eins:

Welchen Zweck hat eine Drohung, wenn nicht die die bedrohte Person einzuschüchtern und in Angst zu versetzen?
Das ist doch wohl das, was der Bedrohende mit seiner Drohung bezwecken möchte.
Entsprechend müsste die Drohgebärde schon irgendein Element enthalten, dass der Bedrohende zu fürchten gehabt hätte, sonst würde sie ja ihren Zweck nicht erfüllen können.
Und das war bei einer italienischen Teilmobilmachung auf keinen Fall gegeben.
Du selbst hattest weiter vorn in der Diskussion darauf hingeweisen, dass den Italienern durchaus klar sein musste, dass die militärischen Potentiale Italiens nicht an die der Donau-Monarchie herankommen würden und das selbst unter den Bedingungen Weltkriegs.
Um so weniger reichten die italienischen militärischen Potentiale in Friedenszeiten an die österreichisch-ungarischen heran und entsprechend war auch eine italienische Teilmobilmachung für Wien kein Grund zur Besorgnis.
Bei einer Generalmobilmachug hätte das möglicherweise anders ausgesehen, darauf hätte man in Wien sicherlich reagieren müssen, auf eine Teilmobilmachung allerings kaum.

Darüber echauffierst du dich her wahrscheinlich gerade mehr, als die Verantwortlichen in Wien 1908 das taten. :)

Dieser Generalstabschef dürfte sich im Nachhinein mit seinen Forderungen und Unkenrufen bestätigt fühlen.
Man konnte es allerdings auch "self fullfilling profecy" nennen, wenn man bedenkt, dass Hötzendorfs Halstarrigkeit und seine permanente Scharfmacherei gegenüber Italien sicherlich nicht dazu beigetragen haben das Verhältnis beider Länder zu einander zu entsprannen.

So unerfahren war Franz Ferdinand nun auch nicht.

Welche praktische Regierungserfahrung hatte Franz Ferdinand denn so?
Seine fixen Ideen und Skizzen zur Reformierung der Monarchie, sei das die Vorstellung der "Vereinigten Staaten von Österreich" oder die "trialistische" Monarchie lassen jedenfalls durchaus mal auf einige Naivität schließen, was die tatsächlichen Möglichkeitsräume betrifft.

Anstehender Thronwechsel in Österreich, auf einen doch im Regieren eher unerfahrenen Thronfolger mit Großen Ideen und relativ wenig Blick für tatsächliche Spielräume und das möglicherweise verbunden mit einem Generalstabschef, der einen Krieg gegen Italien für Wünschenswert hielt, dem man unterstellen konnte solche Pläne in der Schublade zu haben und der nicht zu letzt in der Vergangenheit von Franz Ferdinand gefördert worden war, denn seine Ernennung zum Generalstabschef (ich meine auch seine Wiedereinsetzung) dankte Conrad von Hötzendorf ja durchaus auch der Fürsprache Franz Ferinands.

Das durfte Rom durchaus zu denken geben.

So, jetzt muss ich für heute aber wirklich Schluss machen :)
 
So weit mir bekannt, zielen Internationale Verträge, so auch der Dreibundvertrag noch immer auf den "de jure Zustand" ab, nicht auf irgendwelche Kategorien abseits davon.

Der Dreibundvertrag war ein Defensivbündnis. Mehr nicht; auch wenn Italien gerne eine Erwerbsgemeinschaft daraus machen wollte.

Dadurch, dass man damit rechnete, dass das Osmanische Reich diese Territorien mittelfristig abtreten und die Donaumonarchie sie mittelfristig annektieren würde, war diese Annexion noch nicht vollzogen, sondern nur eine wahrscheinliche Zukunftsoption.

Ja, und? Ich habe dazu schon einiges geschrieben? Syrien, Ägypten, Tripolis, Bulgarien etc. Warum wird bei ÖU so ein Aufhebens daraus gemacht und bei den anderen Mächten wird nichts gesagt?

Welchen Zweck hat eine Drohung, wenn nicht die die bedrohte Person einzuschüchtern und in Angst zu versetzen?
Das ist doch wohl das, was der Bedrohende mit seiner Drohung bezwecken möchte.
Entsprechend müsste die Drohgebärde schon irgendein Element enthalten, dass der Bedrohende zu fürchten gehabt hätte, sonst würde sie ja ihren Zweck nicht erfüllen können.
Und das war bei einer italienischen Teilmobilmachung auf keinen Fall gegeben.
Du selbst hattest weiter vorn in der Diskussion darauf hingeweisen, dass den Italienern durchaus klar sein musste, dass die militärischen Potentiale Italiens nicht an die der Donau-Monarchie herankommen würden und das selbst unter den Bedingungen Weltkriegs.
Um so weniger reichten die italienischen militärischen Potentiale in Friedenszeiten an die österreichisch-ungarischen heran und entsprechend war auch eine italienische Teilmobilmachung für Wien kein Grund zur Besorgnis.

Welche Erklärung hast du denn für diese kostenintensive Drohgebärde italiens anzubieten? War Italien sich darüber bewusst, dass das eigene militärische Potenzial nicht so groß war, wie man es gerne hätte? Anspruch und Wirklichkeit klafften in Rom auseinander. Das hatten in der Vergangenheit der Tripolikrieg und auch Adua 1896 deutlich gezeigt. Trotzdem wollte man weiter mitmischen und neue Interessensphären geltend machen. Italien konnte nur im Einverständnis mit den Mächten etwas erreiche; ohne ging gar nichts.

Man konnte es allerdings auch "self fullfilling profecy" nennen, wenn man bedenkt, dass Hötzendorfs Halstarrigkeit und seine permanente Scharfmacherei gegenüber Italien sicherlich nicht dazu beigetragen haben das Verhältnis beider Länder zu einander zu entsprannen.

Ich meine mich zu erinnern, dass es Gavrilo Princip gewesen war, der den Erzherzog samt Gattin ermordete. Und es war Italien, welches meinte den Nachbarn und Verbündeten seine Situation brutal ausnutzen zu müssen; der gleiche Nachbar, der Italiens ähnliche Situation nicht ausgenutzt hatte. Und dann begab man sich auch noch auf dem Basar und verkaufte sich an den Meistbietenden. Dafür finde ich keine freundlichen Worte.
 
Ja, dass das gegen den Geist des Dreibundvertrags gewesen wäre behauptest du immer wieder. Nur hast du mir bisher noch nicht plausibel erklären können, wie du zu dem Schluss kommst.
Mal davon abgesehen Italien war ja nicht der einzige Partner, der sich nach anderen Alternativen umsah.

Ganz einfach. Der Dreibund gewährte den Vertragspartner Schutz. Vor wem? Ja, Frankreich und Russland. Mit wem hatte sich Italien doch gleich 1902 verbündet? Ja, das war Italien. Und mit wem hatte es eine Abmachung auf dem Balkan getroffen? Ja, das war Russland. Das ist schon ein Verstoss gegen des Geist des Vertrages. Wird im Allgemeinen in der Geschichtsschreibung auch so bewertet.
 
Die Annexionskrise konnte je nachdem, wer die Hauptparteien deckte in einen allgemeinen europäischen Krieg führen und der hätte möglicherweise auch Italien betroffen.

Ich habe es ja schon angeregt, für 1908 einen separaten Faden aufzumachen. Ich meine, es gibt schon einen.
Aehrenthal ging bei der Annexion vom vollem Einverständnis des Zarenreichs aus; das war ja die Abmachung von Buchlau. Dafür sollte Russland das Zarenreich in der Dardanellenfrage, freie Durchfahrt russischer Kriegsschiffe, wohlwollend unterstützen. Aehrenthal konnte also nicht wirklich davon ausgehen, dass Iswolski sich plötzlich nicht mehr an die Absprache gebunden fühlte, weil dieser grobe handwerkliche Fehler gemacht und sich vorher die wichtige Zustimmung von Paris aber vor allem Londons eingeholt hatte.

Man kann Aehrenthal als nicht per se unterstellen, das er bewusst eine solche schwere Krise billigend in Kauf genommen hatte.

Der Krieg würde Italien nicht betroffen haben, da Petersburg gar nicht in der Lage war, militärisch einzugreifen. Und der Bündnisfall hätte nur bei einem Angriff Russlands gegriffen.
 
Welche praktische Regierungserfahrung hatte Franz Ferdinand denn so?
Seine fixen Ideen und Skizzen zur Reformierung der Monarchie, sei das die Vorstellung der "Vereinigten Staaten von Österreich" oder die "trialistische" Monarchie lassen jedenfalls durchaus mal auf einige Naivität schließen, was die tatsächlichen Möglichkeitsräume betrifft.

Anstehender Thronwechsel in Österreich, auf einen doch im Regieren eher unerfahrenen Thronfolger mit Großen Ideen und relativ wenig Blick für tatsächliche Spielräume und das möglicherweise verbunden mit einem Generalstabschef, der einen Krieg gegen Italien für Wünschenswert hielt, dem man unterstellen konnte solche Pläne in der Schublade zu haben und der nicht zu letzt in der Vergangenheit von Franz Ferdinand gefördert worden war, denn seine Ernennung zum Generalstabschef (ich meine auch seine Wiedereinsetzung) dankte Conrad von Hötzendorf ja durchaus auch der Fürsprache Franz Ferinands.

Möchtest du mit der erneuten Ernennung Conrads zum Generalstabschef die Inkompetenz von Franz Ferdinand belegen?
Übrigens, Conrad wollte diesen Job nicht und hat sich auch nicht nach vorne gedrängelt. Ähnlich wie Moltke in Deutschland. So groß war die Auswahl an fähigen Generalen in der Monarchie nicht. Conrad war nicht unfähig oder für eine Tätigkeit nicht geeignet, weil er regelmäßig forderte, gegen Serbien oder Italien militärisch vorzugehen. Wie ich schon ausführte: In Nachhinein wird sich Conrad bestätig fühlen.

Franz Ferdinand war durchaus in diverse Entscheidungen eingebunden. Franz Ferdinand war der Generalinspekteur der k.u.k Streitkräfte. Er hatte um sich einen Kreis von Vertrauten gebildet, eine Art von Schattenregierung, um zu jedem Zeitpunkt regierungsbereit zu sein. Denn es musste jederzeit mit dem Ableben des Kaisers gerechnet werden.
 
Da wäre die Frage hier aber, inwiefern Tittoni hier auf Kompensation hätte pochen müssen, nachdem Kompensation durch den Dreibundvertrag bereits rechtlich verankert war.

Wie sah die Kompensationsklausel denn konkret aus? Ich kann mir kaum vorstellen, dass die vorsah, dass Österreich-Ungarn bei eventuellen Gebietserwerbungen dafür Italien aus eigenem Gebiet zu entschädigen hatte und dass sich daher aus der Klausel italienische Gebietsansprüche auf Gebiete der KuK-Monarchie ergaben. Es wird doch wahrscheinlich eher im Sinne der Klausel gewesen sein, dass Italien dann auch Gebiete erwerben kann, wie auch immer, ohne dass die Partner dem dann Steine in den Weg legen. Und das wurde dann doch mit dem Erwerb von Libyen und Inseln in der Ägäis erfüllt.
 
Hier ist einmal der überraschend kurze Vertragstext des Dreibundes als pdf. Ich kann da keine Kompensationsklauseln finden.

Das du da keinen Kompensationsartikel findest, liegt daran, dass du hier den Vertragstext von 1882 hast.

Die Kompensationsvereinbarungen zwischen Italien und Österreich Ungarn kamen erst im Zuge der späteren Verlängerungen hinein.

Dreibund

"Der Dreibund wurde bis 1912 mehrfach ausdrücklich oder stillschweigend verlängert. Bei seiner ersten Verlängerung (1887) wurde er durch zwei Sonderverträge, zwischen Österreich-Ungarn und Italien (Kompensationen bei Territorialveränderung auf dem Balkan) sowie zwischen dem Deutschen Reich und Italien (deutsche Hilfe bei einem Konflikt mit Frankreich im westlichen Mittelmeer), ergänzt, aber auch kompliziert; diese Ergänzungsverträge fanden bei der zweiten Verlängerung (1891) Aufnahme in den Hauptvertrag."


Wenn wir das genau nachvollziehen wollen, brauchen wir die Vertragstexte, wohl vor allem aus den Verlängerungen von 1891-1912.

Ich muss an der Stelle leider zugeben, dass ich hier für den Moment passen muss.
Die Versionen habe ich nicht zur Hand und bin auch diese und die nächste Woche ziemlich massiv eingebunden, so dass ich mir für die Beschaffung etwas Zeit erbitten müsste.
 
Hat jemand Zugriff auf dieses Buch?

Ich für meinen Teil leider nicht.
Und wie gesagt, den Rest der Woche und die kommende Woche werde ich wahrscheinlich nicht dazu kommen das aufzutreiben.
Danach könnte ich von meiner Seite her anbieten die nächstgelegene Uni-Bib aufzusuchen, das wird sich sicherlich auftreiben lassen.


Möchtest du mit der erneuten Ernennung Conrads zum Generalstabschef die Inkompetenz von Franz Ferdinand belegen?
Übrigens, Conrad wollte diesen Job nicht und hat sich auch nicht nach vorne gedrängelt. Ähnlich wie Moltke in Deutschland. So groß war die Auswahl an fähigen Generalen in der Monarchie nicht. Conrad war nicht unfähig oder für eine Tätigkeit nicht geeignet, weil er regelmäßig forderte, gegen Serbien oder Italien militärisch vorzugehen.

Noch ganz kur hierzu:
Da siehst du anscheinend den Wald vor lauter Bäumen nicht.

Zunächstmal habe ich Franz Ferdinand nicht Inkompetenz, sondern Unerfahrenheit im Regieren unterstellt.
Darum geht es mir im Bezug auf Conrad überhaupt nicht.

Im Bezug auf Conrad geht es mir ganz einfach um den Umstand, das der Österreichisch-Ungarische Thronfolger, der angesichts eines Monarchen, der die 80 Jahre überschritten hatte jederzeit Kaiser und damit Herr über Krieg und Frieden werden konnte fast ein Jahrzehnt lang einen General massiv protégiert hatte, der immer wieder mit Präventivkriegsideen daher kam, die sich mitunter auf den eigenen italienischen Verbündeten bezogen.
Franz Ferdinand hatte 2 mal dessen Ernennung zum Generalstabschef durchgesetzt und so wie Conrad drauf war, durfte man wohl davon ausgehen, dass er Kriegspläne gegen Italien fertig in der Schublade liegen hatte und nur auf den Moment warete diese aktivieren zu dürfen.

Was glaubst du, wie das in Rom wohl angekommen ist? Hätte es da so fern gelegen dem Thronfolger, der jederzeit Regent werden konnte zu unterstellen, dass er Conrad nicht trotz, sondern wegen dieser Ideen protégierte?
Und wäre es insofern besonders abwegig gewesen in Rom einen Thronwechsel in Wien vom kalkulierbaren alten Franz-Joseph hin auf den weniger klar kalkulierbaren Franz Ferdinand mit großer Sorge zu betrachten?

Ich meine nicht.

Und, verzeihung, aber die implizite Behauptung, dass Franz Ferdinand undbedingt Conrad von Hötzendorf protégieren musste, weil Österreich-Ungarn zu wenig fähige Generale gehabt hätte, ist auch Unsinn. Er hätte sich da durchaus auch andere Favoriten suchen können.
Ich will damit durchaus nicht behaupten Franz Ferdinand habe den Präventivkriegsabsichten Conrad von Hötzendorfs besonders nahe gestanden.

Allerdings konnte das aus der Ferne ohne Einblick in die Überlegungen Franz Ferdinands natürlich genau diesen Eindruck machen.
 
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